Großbritannien, USA 2011 (Jane Eyre) Regie: Cary Joji Fukunaga mit Mia Wasikowska, Michael Fassbender, Jamie Bell, Sally Hawkins, Judi Dench 121 Min. FSK ab 12
Man muss mal abergläubig auf das Holz des Bücherregals klopfen: Die Literaturverfilmungen der letzten Zeit verwöhnen die Kinogänger durchgehend. Dass Mel Gibson als Hamlet seinen Hintern hinhält, scheint endgültig überstanden. Mit „Bright Star - Meine Liebe. Ewig" zeigte Jane Campion die letzten Monate im Leben von Keats wie ein Gedicht von Keats. Andrea Arnold begeisterte in Cannes mit einer naturgewaltigen „Sturmhöhe" nach Emily Brontë. Nun „Jane Eyre" von der Schwester Charlotte Brontë, statisch gesehen sowieso immer in den Top 10 der Literaturverfilmungen.
Regisseur Cary Joji Fukunaga ist die erste Überraschung - überzeugte er doch mit der latein-amerikanischen Gangster-Geschichte „Sin Nombre", aber man würde ihm daraufhin nicht unbedingt einen Kostüm-Klassiker zutrauen, der 1847 erstmals veröffentlicht wurde. Zu unrecht, denn wenn Fukunaga die melodramatische Geschichte der Gouvernante Jane Eyre (Mia Wasikowska) auch chronologisch umkrempelt und gezwungenermaßen einkürzt, bleibt er dem Werk erstaunlich treu: Die völlig erschöpfte Frau, die sich im Haus ihres Retters Vikar St. John Rivers („Billy Elliot" Jamie Bell) als Jane Elliot ausgibt, erinnert sich an eine grausame Kindheit. Als unschuldiges Mädchen, das sich gegen Unrecht wehrt, wird sie von einer hartherzige und hinterhältigen Tante (herrlich gemein: Sally Hawkins) in ein düsteres Waisenhaus abgeschoben. Brutale Prügelstrafen und Erniedrigungen sind hier täglich Brot, Janes einzige Freundin stirbt unter den erbärmlichen Bedingungen.
Doch Jane überlebt - in rascher Zusammenfassung - diese harte Schule und wird als Gouvernante auf dem Herrensitz Thornfield Hall angestellt. Es wäre mit der Haushälterin Mrs. Fairfax (Judi Dench) fast ein freundliches Frauenhaus, wenn nicht der düstere Hausherr Edward Rochester (Michael Fassbender) immer mal wieder vorbei schauen würde. Aber in der neuen Gouvernante mit dem direkten Blick und der offene Sprache findet der grimmige, ältere Mann eine Seelenverwandte. Jane muss noch eine Weile auf den Heiratsantrag warten, aber dann kann auch das dunkle Geheimnis von Rochester für einen neuerlichen Schicksalsschlag sorgen.
Die neue „Jane Eyre" ist eine BBC-Produktion, doch das bedeutet nicht wie bei uns, wenn Fernsehen draufsteht, dass es meist minderwertig auf dem einen oder anderen oder gleich auf jedem Gebiet ist. Mit der jungen Australierin Mia Wasikowska, die perfekt unauffällig faszinierend wirkt, als Hauptdarstellerin eines sehr eindrucksvollen Casts passt alles in diesem Rahmen der Roman-Verfilmung. Man schwelgt neugierig in dessen (extrem guten) Bildern, in den Räumen, in den Gesichtern und den Leben. Die Geistergeschichte entfaltet ihre Wirkung (mit genial eingesetzten kargen Licht), ein paar Schreckmomente dürfen auch sein. Wieder brilliert Michael Fassbender. Nach der Rolle des C.G. Jung in Cronenbergs „Eine gefährliche Methode" pflegt er hier das verbitterte Selbstmitleid Rochesters und man darf durchaus im gleichen Satz erwähnen, dass der große Orson Welles diese Rolle einst spielte. Diese „Jane Eyre" kann man sich - nicht nur für den Englischunterricht - merken, genau wie den Namen Cary Joji Fukunaga.