Frankreich 2011 (Carnage) Regie: Roman Polanski mit Christopher Waltz, Jodie Foster, Kate Winslet, John C. Reilly 79 Min.
Hinter dem wunderbar ironischen Titel „Gott des Gemetzels" verbirgt sich eine herrliche Gesellschaftskomödie. Roman Polanskis Kammer-Quartett mit zwei New Yorker Elternpaaren, die zivilisiert die Prügelei ihrer Söhne klären wollen, ist schon ein unterhaltsamer Lacherfolg, noch bevor bei fortschreitender Entwicklung unter Alkoholeinfluss die letzten Masken fielen. Christopher Waltz spielt mit wenig zurückhaltender Ironie seiner aalglatten Anwaltsfigur tatsächlich etablierte Weltstars wie Jodie Foster, Kate Winslet und John C. Reilly an die fein dekorierte Wand (Produktions-Design: Dean Tavoularis).
Das zugrunde liegende Theaterstück von Yasmina Reza lässt unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen und zurückgehaltene Wahrheiten entgleiten. Obwohl die Eltern des „Täters", Nancy und Alan (Winslet, Waltz), eigentlich schon aus der Tür raus sind, will man noch einen Kaffee trinken. Dazu gibt es selbstgemachten Kuchen von Penelope (Foster) und Streit. Kleine Spitzen schleichen sich in die bemüht freundlichen Sätze, die Masken des zivilisierten Umgangs verrutschen zusehends, obwohl Michael (Reilly) geradezu mitleiderregend um Ausgleich bemüht ist. War der Stock, der zwei Zähne kostete, eine Waffe? Und hat das Kind von Nancy und Alan vielleicht echte Probleme? Alan sagt geradeheraus, sein Sohn sei ein Verrückter, dem könne man nicht helfen. Aber Formulierungen eines absichtlichen Angriffs verbittet er sich, wenn es sein Handy erlaubt. Denn parallel muss der Anwalt die Krise eines Pharma-Unternehmens managen, deren Blutdruck-Medikament ein paar Opfer zuviel gefordert hat. Dass ausgerechnet Michaels Mutter dieses Medikament nimmt, gehört zu den vielen humoristischen Volltreffern des Skripts. Ein Knaller ist es auch, wenn Nancy in hohem Bogen auf Penelopes geliebte Teatable-Kunstbücher kotzt. War Penelopes Kuchen schuld? Aber keine Angst: Kotzen auf Kokoschka ist neben dem grunzenden Lachen von Waltz ein seltener Moment groben Humors in diesem gefährlichen Feld scharfer Wort-Spitzen. Zuerst bricht die Solidarität der Ehepartner auf, dann sorgt ein alter Scotch für einen Männerbund und alle verbünden sich gegen Alan als sein Handy endlich in der Blumenvase versenkt wird.
Ob wir tatsächlich alle Tiere oder Egoisten sind und ob Männer sich auf den John Wayne-Typus reduzieren lassen, bleibt offen und diskutabel. Derweil macht diese überraschende Enthüllung wahrer Persönlichkeitszüge durchgehend viel Spaß. Der neue Polanski ist fast ein Woody Allen. Bei diesem humorigen Quartett-Spiel stellt sich selbstverständlich die Frage, wer wen sticht. Bei den Figuren darf jeder mal jeden. Bei den Schauspielern erweist sich Waltz als eindeutiges As - vielleicht auch, weil er wieder das Aas spielt. Die Rolle des fiesen Zynikers gibt ihm die besten Karten, doch wie er mit kleinen Gesten, mit nur einer Bewegung des Fingers Pointen setzt, ist großartig. Betrunken spielt er noch viel besser als die anderen. Jodie Foster bleibt dagegen leider insgesamt unter ihrem Vermögen. Ihre Hysterie wirkt gezwungen, während Winslet den Typ eines frustrierten Edelweibchens sehr schon den Bach runter gehen lasst. Das „Gemetzel" belohnt kurz und kurzweilig mit intelligentem Spaß und unaufdringlicher Reflektion über das wahre Wesen des Menschen.