Der Frankreich-Urlaub des 17-jährige Anton mit seiner Mutter Luzia und deren Liebhaber Paul entwickelt sich durch die Begegnung mit einem provokanten und mysteriösen Pärchen zu einem Thriller zwischen äußeren Bedrohungen und inneren Verführungen. Das Spielfilm-Debüt von Wolfgang Fischer gefällt durch ausgeprägten Stil und seine dichte Atmosphäre.
Das Auto komprimiert auf französischen Landstraßen Erwartungen und andere Gefühle der kleinen Patchwork-Familie auf dem Weg in den Urlaub. Luzia will mit dem fast erwachsenen Sohn Anton noch einmal gemeinsam in die Ferien. Dabei tragen beide schwer am plötzlichen Tod von Ehemann beziehungsweise Vater. Luzias neuer Freund Paul wird von Anton ebenso skeptisch betrachtet, wie der große schwarze Hund, den der Neue mitbringt. Dann fliegt aus Versehen der Zigarettenanzünder aus dem Autofenster und bleibt gefährlich in Großaufnahme vor der Kamera liegen. Ein mit vielen Reizen aufgeladenes Psycho-Spiel deutet sich an.
Die schicke Ferienwohnung im Pinienwald verspricht Ruhe und Klarheit. Mit Blick aufs Meer ist sie an den Außenwänden komplett verglast. Nur ein innerer Kern lässt sich nicht durchschauen. Eine Situation, die vor allem nachts nach anonymen Anrufen immer bedrohlicher wird. Doch auch Anton lugt heimlich durch die Gardinen auf ein schlafendes Paar nebenan. Er lernt die Deutschen David und Katja bei einer Reihe ungewöhnlicher Treffen kennen. Mal als verführerische Frau im Pool. Mal beim erschreckend brutalen Auftreten Davids gegenüber aggressiven französischen Jugendlichen. Zu dritt erleben sie einen Pilztrip im benebelten Wald, zwischen Spiel und Ernst wirft man sich in einen Teich und Anton darf den beiden, die sich auch mal als verwaiste Geschwister ausgeben, bei sehr feuchten Küssen (neu-) gierig zuschauen.
Der - vielleicht etwas zu alt gecastete - Protagonist Anton steht zwischen naivem Kind, das in alten Urlaubserinnerungen mit der behütenden Mutter schwelgt, und einem (erstaunlich) unerfahrenen Jugendlichen, der eine verführerische, aber auch scheinbar gefährliche Art des Lebens ohne Eltern entdeckt. Ein Hauch von Rebellion gegen das Etablierte, gegen „die Familie" lebt hier direkt nebenan. Eine reizvolle Alternative zum schwierigen Arrangieren mit Mutters Neuem. Anton verliert sich im immer weiter verschwimmenden Wechsel zwischen Surrealem und klaren Ereignissen. Nicht alles ist eindeutig einzuordnen, doch das angedeutete Untergehen wird im dramatischen Finale wohl tödlicher Ernst.
Wolfgang Fischer, der Film und Video an der Kunstakademie in Düsseldorf und auch an der Kunsthochschule für Medien Köln studierte, wollte mit seinen Spielfilm-Debüt „Was du nicht siehst" einen „sehr archaischen und emotionalen Film (...) voller dunkler und rätselhafter Momente" realisieren. Das ist ihm mit einen deutlichen Stil, mit eindringlicher Atmosphäre, perfekten Sets und guter Schauspielführung durchaus gelungen.