Der gefeierte Siegerfilm der letzten Berlinale belegt erneut den Reichtum des iranischen Films: Auch wenn die Regierung zwei Regisseure wegsperrt, beziehungsweise unter Hausarrest setzt (wo sie trotzdem weiterfilmen), gibt es noch viele andere hervorragende Filmemacher. Asghar Farhadis Drama „Nader und Simin" gehört nicht zu den offensichtlich politischen Filmen - doch plakativ waren die iranischen Kunstwerke selten. Auf jeden Fall zeigt der Film ein hochspannendes moralisches Dilemma im heutigen Iran.
Nüchtern erklärt Simin ihre Gründe dem Richter beziehungsweise der Kamera, die sich genau in dessen Position befindet. Sie möchte mit ihrem Ehemann Nader und ihrer Tochter Termeh den Iran verlassen, hat schon die Visa. Doch Nader will seinen an Alzheimer erkrankten Vater nicht zurücklassen und sagt die Reise ab. Simin zieht aus der ehelichen Wohnung aus und kehrt zu ihren Eltern zurück. Die schon recht reif agierende Termeh bleibt beim Vater, um die Eltern wieder zusammen zu bringen. Nader engagiert für die Betreuung des Vaters eine junge Frau in Geldnot. Razieh muss mit ihrer kleineren Tochter zweieinhalb Stunden zum neuen Job reisen, ihr Ehemann darf nichts davon wissen. Als Nader eines Tages nach Hause kommt, findet er seinen Vater fast leblos und angebunden neben seinem Bett. Der wütende Sohn beschuldigt Razieh auch noch des Diebstahls und will sie aus der Wohnung werfen. Die Frau weigert sich, zu gehen, es kommt zu einer - religiös unstatthaften Berührung, irgendwann geht sich doch. Später erfahren Nader und seine Frau von einer Fehlgeburt der entlassenen Pflegerin. Im Krankenhaus attackiert sie deren grober und unsympathischer Mann. Danach klagt er Nader an, eine Kettenreaktion von Schuld und Anschuldigungen beginnt....
Der iranische Regisseur, der 2007 für „About Elly" einen silbernen Bären erhielt, hatte einst im Interview gesagt, er will unter allen Umständen weiterfilmen. So ist die Suche nach der Wahrheit, die genaue Beobachtung der (exzellent gespielten) Menschen und ihrer Motive an sich ein Grund, diesen Film unbedingt zu sehen. Dass selten Sätze fallen wie „Was falsch ist, ist falsch, egal wer es sagt, lässt einen über die schwierige Situation von künstlerischem Widerstand und innerer Immigration nachdenken.