13.12.10

The Tourist


USA, Frankreich 2010 (The Tourist) Regie: Florian Henckel von Donnersmarck mit Angelina Jolie, Johnny Depp, Paul Bettany, Timothy Dalton, Steven Berkoff, Rufus Sewell 103 Min.

Zum Donnersmarck noch mal! Warum müssen die alle auf unseren Oscar-Jungen Florian rumhacken? Herr Henckel von Donnersmarck scheint ja persönlich kein Sympathiebolzen zu sein. Aber sein erster Hollywood-Film, fünf Jahre nach dem Oscar-Erfolg von „Das Leben der Anderen“, ist gar nicht so schlecht und eigentlich sogar ganz schön raffiniert. Wenn man mal richtig hinter die Fassade der femme jolie und des schönen Venedigs blickt.

Der Anfang ist schon eine Parodie aller Erwartungen: Ein Lieferwagen voller Überwachungsgeräte, Kameras und Mikrofone ... das ist so „Das Leben der Anderen“, so „Stasi“! Doch dann tritt Angelina Jolie aus dem Stadthaus, stöckelt auf hohen Absätzen durch Paris und man ist in einem anderen Film. Der Star, der erst einmal vor allem das ist, spielt Elisa Clifton-Ward. Diese ist als ehemalige Geliebte des flüchtigen Milliarden-Diebes Alexander Pearce im Fokus mehrerer Geheimdienste. Jetzt liest sie, während sie in einem Kaffee Hof hält, nach zwei Jahren einen Brief von Pearce mit der bitte um Verzeihung und mysteriösen Anweisungen: Sie solle den nächsten Zug nach Venedig nehmen und zur Tarnung mit irgendeinem Fremden, der ungefähr seine Statur habe, engen Kontakt aufnehmen. Das Ablenkungsmanöver misslingt schon bald, weil Scotland Yard den verbrannten Brief doch noch entschlüsselt. (Timothy Dalton verdeutlicht als Boss von Scotland Yard was mit ausgemusterten Bonds passiert.) Doch der von Pearce bestohlene Gangsterboss Ivan Demidov (Steven Berkoff) ist schon auf der Spur des von Elisa angeflirteten Frank Tupelo (Johnny Depp) und der Krimi unter den Dächern von Venedig nimmt seinen Lauf...

Frank Tupelo, dieser Mathelehrer aus Wisconsin, ist alles andere als erste Wahl für die durchgehend als Klasse- und Rasse-Frau präsentierte Elisa. Schlecht sitzen bei ihm nicht nur Haare und Klamotten, auch Sprache und Manieren sind ausbaufähig. Die ersten Lektionen übernimmt die Schöne, ebenso seine erste Nacht im Luxus-Hotel an der Seufzer-Brücke. Ein Kuss auf dem Balkon könnte allerdings sein Todes-Kuss sein.

Ebenso spannend wie die Fragen, wer der Tourist ist, wer Alexander Pearce und für wen sich Elisa entscheidet, scheint in Deutschland die nationale Frage zu sein, wie sich ein Oscar-Sieger bei seiner ersten star-geschwängerten Hollywood-Produktion hält. „The Tourist“ sieht gut aus, ist aber immer wieder zu lang geraten. Da scheint jemand ziemlich selbstverliebt in seine Bilder zu sein. Die Spannung des Thrillers geriet in ein paar Momenten anständig, aber nicht sensationell. Der Humor in Dialogszenen gelingt öfter (Drehbuch: Florian Henckel von Donnersmarck, Christopher McQuarrie, Julian Fellowes), hier darf Johnny Depp ganz dezent den Spleen seiner anderen Figuren zurückhalten. Aber Personen kann er ganz gut, der Donnersmarck. Denn spannender als die zwei, drei Verfolgungsjagden sind die Momente des Zweifels bei Elise. Vom ersten Auftritt auf den Straßen von Paris an sieht sie aus wie eine klassische Marmor-Statue. Es geht um Schönheit und Äußerlichkeit. Die von Elise, die Venedigs, die des Schmucks und der Kleidung. Und trotzdem hat dieser langweilige Mathelehrer, dieser Tuppes Tupelo, etwas, was die Traumfrau anzieht. Und genau dieser schwer erklärbare, nicht äußerliche Reiz wird von Jolie und Depp reizvoll umgesetzt. Die von der Kritik geforderten Funken, die zwischen ihnen sprühen sollen, wäre fehl am Markusplatze. Konsequent entscheidet sich der sehenswerte Film am Ende für die einfachste Lösung und für die große, echte Liebe frei von allen Fesseln und Äußerlichkeiten.