28.12.10

Immer Drama um Tamara


Großbritannien 2010 (Tamara Drewe) Regie: Stephen Frears mit Gemma Arterton, Roger Allam, Bill Camp, Dominic Cooper, Luke Evans 111 Min. FSK ab 12

Den englischen Schriftsteller Thomas Hardy (1840 – 1928) können auch Kinofans über die Verfilmungen „Tess“ (1979) von Roman Polanski, „Herzen in Aufruhr“ (1996, Original: „Jude“) und „Das Reich und die Herrlichkeit“ (2000, nach dem Roman „The Mayor of Casterbridge“) von Michael Winterbottom kennen. Aber es gibt auch die Comic-Serie  „Tamara Drewe“ von Posy Simmond, die auf Hardys melodramatischem Roman „Am grünen Rand der Welt“ beruht. Und nun hat Tausendsassa Stephen Frears („Die Queen“, „High Fidelity“, „Gefährliche Liebschaften“) die leichte Geschichte noch einmal zu einer ebenso lebensklugen wie schrägen Komödie veredelt.

Tamara Drewe (Gemma Arterton) schlägt in dem beschaulichen Dörfchen Ewedown in der englischen Grafschaft Dorset ein wie eine Bombe. Sex-Bombe auch, aber zudem hat es das ehemalige hässliche Entlein nach einem Nasenjob durchaus zu Ruhm, Geld und auch Intelligenz gebracht. Kein Wunder, dass sich die knackige Jugendliebe Andy (Luke Evans) Hals über Kopf noch einmal verliebt. Doch die Kolumnistin Tamara schnappt sich erst einmal den sehr peinlichen Drummer einer Indie-Band, was den aktuellen Dorfmädels völlig den Kopf verdreht.

Am Hügel gegenüber schwitzen angehende Autoren köstlich komisch bei einem Workshop, während der Gastgeber, der gefeierte Krimi-Autor Nicholas Hardiment (Roger Allam), seine devote Frau ein weiteres Mal betrügt und der neuen Nachbarin Tamara mit dem Fernglas hinterher starrt. Dieses Ensemble mit hohem Unterhaltungs-Potential stellt nur die Ausgangs-Formation einer Komödie dar, die zu einem tragischen Tod führt, bei dem man Miss Marple gleich im nächsten Zug erwartet. „Tamara Drewe“ könnte auf grün wogenden Hügeln eine Pilcher-Parodie sein, lässt zwei ausgeflippte Teenies das sich unabwendbar entwickelnde Chaos wie ein griechischer Chor kommentieren. Die Groupies des gleichermaßen peinlichen wie ekligen Star-Autors Hardiment sind da wesentlich alberner, während dessen Frau von einem tiefsinnigen Thomas Hardy-Verehrer mit Schreibblockade angehimmelt wird.

Der Western „The Hi-Lo Country“ (1998), die königliche Satire „Die Queen“ (2006), das bittere Sozialdrama „Kleine schmutzige Tricks“ (2003) mit Audrey Tautou und Sergi Lopez, die Komödie „High Fidelity“ (2000), „Mary Reilly“ (1995), die andere Seite von „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ mit Julia Roberts, „Gefährliche Liebschaften (1989) oder die Immigranten-Komödie „Sammy & Rosie tun es“ (1987)... Selbst wenn man von den vielen guten Filmen, die der 1941 geborene Stephen Frears seit seinem ersten Erfolg „Mein wunderbarer Waschsalon“ (1985) - und dem vergessenen Meisterstück „The Hit“ - bis zu der letzten Literaturverfilmung „Chéri“ (mit Michelle Pfeiffer) hingelegt hat, ein paar vergessen hat - es ist höchst erstaunlich, wie der Brite mit jedem Genre etwas anfangen kann, aus jedem Stoff etwas Interessantes zaubert. „Tamara Drewe“, diese manchmal sehr komische, aber auch sehr flache Geschichte mit ihrem makabren Ende hätten andere für das schnelle Vergessen runtergefilmt. Doch Frears wirft mit scheinbar leichter Hand Figuren und Situationen auf die Leinwand, die bei aller Albernheit mit nachhaltiger Tiefe gefallen. Ein leichtes, buntes Vergnügen mit einer Reihe eingestreuter Perlen...