21.12.10
Drei
BRD 2010 (Drei) Regie: Tom Tykwer mit Sophie Rois, Sebastian Schipper, Devid Striesow 119 Min. FSK ab 12
Nach Ausflügen in die internationale Film-Produktion mit „Heaven“, „Parfum“ und „The International“ drehte Tom Tykwer, einer der besten deutschen Regisseure, mit „Drei“ erstmals wieder einen eigenen Stoff in vertrauten Gefilden. Was zu seinem besten Film seit langem führte - kleine Perlen wie die Episode „Faubourg Saint-Denis“ aus „Paris, je t'aime“ ausgenommen. Der flotte Dreier „Drei“ setzt eine spannende, ungewöhnliche Geschichte, formal sehr reizvoll um und überschreitet dabei munter Grenzen des Beziehungseinerleis.
Die Verbindung klappt irgendwie nicht: Hanna (Sophie Rois) und Simon (Sebastian Schipper) leben nebeneinander her, das Sexualleben ist noch kein Stellungskrieg, aber über die Frage „Unten oder Oben“ kommen sie nicht hinaus. Als bei Simon Hodenkrebs diagnostiziert wird und er sofort operiert werden soll, erreicht er die ahnungslose Hanna nicht, weil sie gerade mit dem vielfach begabten Gen-Forscher Adam (Devid Striesow) fremd geht. Bei der Genesung ist sie wieder keck liebevoll an Simons Seite, doch der hat bald eine erotische Begegnung im Schwimmbad - mit genau jenem Adam, der so sehr unschuldig aber auch souverän verführerisch schauen kann.
So finden Hanna und Simon bei Adam, was ihnen miteinander fehlt. Schwierig, aber vielleicht muss man ja nur „Abschied nehmen vom deterministischen Biologie-Verständnis“, vielleicht sind wir ja alle pluripotente Stammzellen, wie der am Gen manipulierende Wissenschaftler routiniert formuliert. Auf jeden Fall ist das Paar, das weder vom Seitensprung noch vom gemeinsamen Bekannten weiß, begeistert: „Du siehst aber gut aus!“ lautet der Kommentar, bei dem „Drei“ die Komödien-Raffinesse von Schünzels / Blake Edwards „Viktor und Viktoria“ (1933 / 1982) erreicht.
„Drei“ ist - vor allem dank Sophie Rois - eine herrlich komische und erdige Komödie. Voller raffinierter Ecken, Kanten und Ebenen: Da erlebt die natürliche Fruchtbarkeit einen heftigen Rückschlag, während der Fortpflanzungs-Genetiker einen Höhepunkt hat. Dass Hanna als unübersehbare Tita von Hardenberg-Parodie im Ethik-Rat der Regierung sitzt, ist intellektuelles Hintergrundrauschen ebenso wie das kulturelle Gequatsche in allen Ecken der Berliner Szene oder ein Besuch von Robert Wilsons „Shakespeares Sonette“. Sophie Rois, der Volksbühnen-Star, hat endlich die richtige Rolle für ihr großes Können und ihren unvergleichlich herb-sensiblen Auftritt. Devid Striesow gibt mal nicht den fiesen oder miesen Deutschen und überrascht mit einem vielschichtigen Charakter. Sebastian Schipper hat als Regisseur der Wahlverwandtschaften-Variation „Mitte Ende August“ genügend Erfahrungen mit komplexer Beziehungs-Arithmetik und macht nachhaltig Eindruck.
Tykwer sucht in „Drei“ kongeniale Bilder für Beziehungssituationen. Da verlaufen zwei Überlandleitungen parallel zu dem wenig begeisterten Lebens-Kommentar eines Zugreisenden: „Harmonie, Friktion, Symmetrie, Parallelität, Trott, Flucht, Heimkehr, Fremdgehen, Bereuen ... Rheuma, doch Kinder, Fehlgeburt, weiter, Therapie, kein Sex, Älter, weiter, langsamer, weiter, du stirbst, ich auch.“ Dazu Tykwers typisch treibender Rhythmus auf der Tonspur. Wesentlich reizvoller symbolisiert ein schwarzes Tanz-Trio im weißen Raum die Dreier-Konstellation des Films - Anziehung und Eifersucht locken hier ebenso erotisch wie kunstvoll. Eine paradiesische Komödie!