6.12.10
Ein Mann von Welt
Norwegen, 2010 (En Ganske Snill Mann) Regie: Hans Petter Moland mit Stellan Skarsgård, Bjørn Floberg, Gard B. Eidsvold, Jorunn Kjellsby, Jan Gunnar 111 Min. FSK ab 12
Nach der Entlassung schlagen ihm tristes Grau und ein eisiger Wind ins Gesicht. Auf Ulrik (Stellan Skarsgård) wartet niemand am Gefängnistor. Auch in der Stammkneipe gibt es nur Tee, keine warmen Worte. Worte sind sowieso knapp bei Ulrik und seiner Umgebung. Noch knapper als das Geld. Doch scheinbar großherzig bietet ihm der Boss Jensen Wohnung und Job an. Die Bleibe ist ein Kellerloch mit Matratze bei Karen Magarete, der älteren Schwester vom auch nicht mehr ganz jungen Boss. Der Job ist eine Autowerkstatt, in der Chef Sven nach dem langen Eingangsmonolog über die Ethik der Zweiten Chance nicht mehr viel redet. Ach ja, Ulrik solle die Finger von der Sekretärin Merete lassen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass der frisch Entlassene für die Alimente, die sein Jensen während der Haftzeit an Ulriks Frau und Sohn zahlte, einen Mord erledigen soll. Während seiner kläglichen Versuche, an die alten Familienbande anzuknüpfen, reift aber sein Entschluss, nicht noch einmal wegen Mord hinter Schwedischen Gardinen zu landen.
Nicht der dramatische Versuch, eines Gefallenen, wieder auf die Füße zu kommen macht den Kern dieser Geschichte aus. Der humoristische Reiz dieses „Mannes von Welt“ und seiner Mitmenschen liegt darin, dass bekloppte Typen ihre Dämlichkeit in herrlich hirnrissigen Dialogen darbieten. Großartig ist schon der Auftritt vom Boss, der erst einmal das Auto demoliert, das seine historische S-Klasse eingeparkt hatte und dann noch die Fahrerin in einen Müllcontainer schmeißt.
Bei seiner Ex-Frau erhält Ulrik Fastfood und schnellen Sex. Bei der Vermieterin im Kellerloch polnisches Fernsehen, ein Abendessen und auch Sex, der mit grotesken Gebärden eingefordert und eher unbeschreiblich durchgezogen wird. Zarte Liebesbande mit der vom Leben und vom Ex-Mann geschlagenen Werkstatt-Sekretärin erhalten auch den nötigen Gag-Pepp durch skurriles, aber irgendwie doch auch verständliches Verhalten. So steht der eher lethargische Ulrik plötzlich mit zwei Liebhaberinnen, einem Enkel und moralischem Konflikt dar.
Der schwedische Hollywood-Star Stellan Skarsgård setzt seinen Kurs zwischen Mainstream („Piraten der Karibik“) und Arthouse weiter fort. Diese Rolle des Schweigers Ulrik ist vom Mut zur Selbstdemontage annähernd vergleichbar mit Depardieus „Mammuth“. Ungepflegtes. langes Haar, ein Auftreten, das eher debil als heroisch wirkt - dem aber trotzdem eine gewisse Coolness anhaftet. Das wirkt allerdings im Vergleich zu ähnlich situierten Filmen von Kaurismäki oder eben den „Mammuth“-Machern Benoît Delépine und Gustave de Kervern etwas aufgesetzt. Die gesuchte Skurrilität unterhält, aber eher oberflächlich, ohne den Figuren große menschliche Tiefe zu geben.