14.5.09

Spring Fever (Cannes Wettbewerb)


Regie: Lou Ye

China 2009

Cannes Wettbewerb

 

Es ist Frühling in Nanking und auch am anderen Ende der Welt und auf der anderen Seite der Ideologien, wo Banken verstaatlicht sind und der Staat die Wirtschaft mit Milliardenbeträgen steuert (also im chinesischen Kommunismus) schlagen die Bäume aus und die Gefühle hohe Wellen. Die Folge ist ein Beziehungsreigen, der sich langsam vollzieht, langsam und ohne viele Worte. Im Nachhinein könnte man ein großes Drama draus machen, die Leidenschaften fordern 1 ½ Tote, immer wird verlassen und ein neues Paar Arme zu festhalten gesucht. Oder man könnte es kalt analysieren: A+B+C-A+D-B … Doch Lou Ye findet seinen eigenen Weg wie auch die Figuren zwar mit offenen Augen aber ganz Gefühl von einem zum nächsten finden. Mit Urteilen und Verurteilungen kommt man nicht weit. Man sollte dem Fluss Beachtung schenken, der immer wieder eingeblendet wird und sich von den Gefühlen treiben lassen. Dann entdeckt man die Zuneigung zu den hilflosen Figuren in diesem Strom, dann schätzt man die Momente des Glücks, die kleinen Erfüllungen zwischen dem großen Verlassen und Verlieren.

 

Daraus jetzt einen Skandal zu machen oder zu hoffen, dass irgendein unterforderter Zensor in der Volksrepublik China einen Skandal macht, wäre albern. Die meisten Beteiligten in diesem Frühlingserwachen eines Privat-Detektives sind schwul. Man sieht sehr körperlich, wie sie miteinander schlafen und zwischendurch schläft der eine oder andere von ihnen auch mal mit einer Frau. Und das ist gut so; sehr gut und beiläufig mit der kleinen digitalen Handkamera (in bis zu 40-minütigen Einstellungen!) gefilmt, in Umgebungen, die einem Westeuropäer sehr authentisch vorkommen. Doch so fern ist diese Cannes-Mitspieler des Weltkinos nicht: Man denkt mal an Godard, wenn jemand mit dem Rennrad in der Wohnung fahren will, und an Jules und Jim statt Ying und Yang, wenn es einen sehr harmonischen Urlaub zu dritt gibt, wo die Freundschaft mehr zählt als das Etikett homo oder hetero. Und tatsächlich gehört Truffauts „Jules und Jim" zu den Filmen, die Lou Ye sehr bewundert. Außerdem zeigte er den Schauspielern Schlessingers  „Midnight Cowboy" und „My own private Idaho" von Gus van Sant.

 

„Weekend Lover", der erste Film von Lou Ye aus 1994 wurde zensiert, um doch zu dem Thema zu kommen. Und gewann dann in Rotterdam. „Summer Palace" lief 2006 in Cannes und handelte von den mörderisch nieder gemachten Protesten auf dem Tiananmen Platz in Peking. In Folge wurde Lou Ye mit fünf Jahren Berufsverbot belegt. Für „Spring Fever" gab es zum Glück Geld aus Frankreich und Hongkong.