18.10.06
Shortbus
USA 2006 (Shortbus) Regie und Buch: John Cameron Mitchell mit Sook-Yin Lee, Paul Dawson, Lindsay Beamish, PJ DeBoy, Raphael Barker, Jay Brannan, Peter Stickles 102 Min.
Schon bei der Premiere in Cannes war "Shortbus" DER Geheimtipp. Gleichzeitig fragte man sich, wer diesen sehr freizügigen Film wohl ins Kino bringen würde. Jetzt traute sich Senator und schon schwappt aus den prüden USA der Begriff Pornografie herüber. Reißerisch, denn "Shortbus" ist in seinen "Short Cuts" des New Yorker Lebens vor allem zutiefst menschlich und ehrlich.
Der Film beginnt mit dem Reigen dreier, teilweise akrobatischer Orgasmus-Szenen und man hält schon den Atem an, wie rasant Regisseur John Cameron Mitchell rangeht. Auch der Pollock an der Wand bekommt einen der vielen frechen Scherze dieses bei aller Ernsthaftigkeit umwerfend komischen Films ab. Doch die postcoitive Traurigkeit macht deutlich, es geht nicht ums Schauturnen. Hier sind drei einsame Menschen verzweifelt auf der Suche nach anderer Nähe.
Die Paarberaterin Sofia macht ab und zu auch Sexualberatung, hat aber selbst noch nie einen Orgasmus gehabt - nicht gerade ideal für Job und langjährige Beziehung. Ihre Kunden Jamie und James überlegen sich, ob sie zu einer offenen Beziehung umsteigen wollen. Dabei quasselt der ehemalige Kinderstar Jamie unsensibel drauf los, während der deprimierte James für sein filmisches Vermächtnis alles mit der Kamera aufzeichnet. Die Domina Severin macht auch privat nur an und runter. Dabei zeigen ihre künstlerisch bearbeiteten Polaroids eine enorme Sensibilität. Alle diese Menschen treffen sich im erotischen Salon von Justin Bond namens "Shortbus". Bei Gesprächen, Getränken und anderen Drogen (Potcorn!), wunderbarer Musik (Yo La Tengo) und Gruppensex erhalten sie die Chance, sich zu öffnen und zu verändern.
Wobei der Humor herrlich unverschämt daherkommt: Da wird eine Performance mit Tampon als "Periode piece" (eigentlich: Historisches Drama) bezeichnet. Bei einem Dreier bläst man mit der US-Nationalhymne nicht den Marsch sondern in den Arsch. Die Statisten werden im Abspann augenzwinkernd als "Sextras" bezeichnet. Dass die Original- oder OmU-Version unerlässlich sind, versteht sich dabei von selbst.
Mit der mega-schrillen Transvestiten-Bio "Hedwig and the Angry Inch" (2001) machte sich John Cameron Mitchell einen Namen. Jetzt übte er zwei Jahre lang mit Laiendarstellern die Rollen ein, die sie in "Shortbus" sehr überzeugend verkörpern. Kameraflüge über ein bunt übermaltes New York verbinden die witzigen und anrührenden Szenen. In dem Maße wie sich Sofia der sexuellen Erfüllung nähert, wird ganz New York immer öfter von einem elektrischen Black Out bedroht.