24.10.06
Eine unbequeme Wahrheit
USA 2006 (An Inconvenient Truth) Regie: Davis Guggenheim mit Al Gore 96 Min. FSK: o.A.
Man könnte diesem Mann die ganze Schuld an dem Terror und all den Kriegen zuschieben: Hätte Al Gore die Wahl gegen George Bush nicht nur gewonnen, sondern auch um den Sieg bei den Wählerstimmen gekämpft, wäre die Welt heute friedlicher! Doch der Politiker, der schon immer auch Ahnung von anderen Sachen - wie dem Internet - hatte, büßt auf seine Weise. Unermüdlich versucht er den US-Amerikanern klarzumachen, wie dramatisch die Klimaerwärmung bereits ist. Diese in den USA bejubelte Dokumentation begleitet seinen Feldzug.
Faszinierte Gesichter, warmer Applaus ... selten gewinnt ein Politiker so viel Aufmerksamkeit. Dieser ist jedoch ein besonderer Politiker: "I used to be the next president of the United States", sagt er selbst scherzhaft. "Ich war mal der nächste Präsident." Jetzt tourt er seit Jahren durch das Land. Hielt seinen Vortrag bereits mehr als tausendmal. Erklärte mit seinem Apple-Laptop wie die Sonnenstrahlen die Erde erwärmen und die Infrarot-Wärme durch die Treibhausgase wie Kohlendioxid nicht mehr ins All ausstrahlen können, wodurch sich die Temperatur der Erde katastrophal erhöhen wird.
Mit sehr persönlichen Geschichten, Comics, Animationen, eindrucksvollen Fotos und Grafiken liefert Gore tatsächlich einen eindrucksvollen Vortrag. Das Abschmelzen der Gletscher ist so offensichtlich und erschreckend, dass man sich melancholisch unter eine Decke verziehen oder direkt bei Greenpeace anmelden will. Wenn dann der arme Eisbär ertrinkt, weil das Eis überall geschmolzen ist, müssten alle Zuhörer sofort Ökoaktivisten werden und Grün wählen.
Doch das ist erst der Auftakt. Dann gibt es noch die Erwärmung der Meere, das Anwachsen der Zerstörungskraft der Wirbelstürme und Taifune bis Katrina, der New Orleans überschwemmte. Die Erklärung ist ganz einfach: Wirbelstürme gewinnen ihre zerstörerische Energie über warmen Wasser.
Auch wenn wir die Tatsachen doch schon längst kennen (und wir weiter fleißig mit Autos durch die Gegend rasen und der Industrie Emissionshandels-Zertifikate kostenlos hinterherwerfen): Wann werden wirkliche Maßnahmen ergriffen? Wenn die Flüchtlinge aus den Niederlanden Deutschland überschwemmen? Wenn Hamburg unter Wasser liegt? So ist auch der pessimistische Grundton dieser "unbequemen Wahrheit" verständlich. Er glaubt nicht, dass er die Menschen mit seiner Warnung erreicht. Selbst Gores Glaube an die Demokratie ist - verständlicherweise? - beschädigt.
Gore ist immer noch ein Politiker - man sollte ihm nicht alles glauben. Aber vielleicht anfangen, nachzudenken. "Eine unbequeme Wahrheit" ist die andere Seite der Medaille vom Spielfilm "The Day After Tomorrow" und enorm wichtig, weil man so vielleicht versteht, dass dieses Horrorszenario keine Hollywood-Erfindung ist.