14.12.10

Von Menschen und Göttern


Frankreich 2010 (Des hommes et des dieux) Regie: Xavier Beauvois mit Lambert Wilson, Michael Lonsdale, Olivier Rabourdin, Philippe Laudenbach, Jacques Herlin, Loïc Pichon 120 Min.

„Von Menschen und Göttern“ ist ein viel gelobter, in Cannes begeistert aufgenommener Film, der im Mai den Grand Prix des Festivals gewann. Aber es ist vor allem ein außergewöhnlicher Film, bei dem man stillstehen muss, vielleicht sogar - die Mönche des Films legen es nahe - im Geiste niederknien kann. Weil er Lebensweisen und Werte vorstellt, die gänzlich als aus der Zeit gefallen erscheinen, und weil Regisseur Xavier Beauvois zeitlose wie hochaktuelle Fragen meisterlich ins Bild bringt.

Sieben Trappisten leben in den Neunziger Jahren bescheiden im kleinen Klosters Tibhirine, im algerischen Atlasgebirge gelegen. Sie verkaufen die Früchte ihrer Felder, versorgen das nahegelegene, ärmliche Dorf mit medizinischem und juristischem Rat. Als das Militär 1992 den Wahlsieg der radikal-islamischen Heilspartei (FIS) verhindert, eskaliert im Land die Gewalt zwischen fundamentalistischen Gruppen und dem Militärregime. Ein Ultimatum der „Groupes Islamiques Armés“ verlangt, dass alle Ausländer das Land verlassen. Auch im Klosters Tibhirine wird die Bedrohung immer deutlicher. Kroatischen Bauarbeitern in der Nähe wird die Kehle aufgeschnitten. Die Mönche müssen sich entscheiden, ob sie bleiben, lehnen aber vor allem militärischen Schutz ab.

In den knappen Gesprächen der demütigen Sieben fallen zwar Sätze, die in ihrer Simplizität furchtbar aufregen wie „Partir, c’est mourir“. Doch gerade die Einfachheit des Lebens fasziniert auch. Der eher als Schauspieler bekannte Regisseur Xavier Beauvois („Villa Amalia“, „Ponette“) betont dies mit streng kadrierten Bildern vor grauen Wänden, zeigt immer wieder die gesungenen Gebete, die Gespräche um den kargen Tisch vor der Landkarte, die eine einige Welt zeigt. Das Verhalten der in ihrer Bescheidenheit und im Beharren auf das Dienen auch sehr dickköpfigen Mönchlein wirkt oft niedlich, wenn sie sich gegen den Lärm des Militärhelikopters über ihren Köpfen noch enger zusammenstellen und noch inniger singen.

Man könnte über die Vermessenheit von Mission nachdenken und die melancholische Spät-Fürsorge der Franzosen für ihre alten Kolonien. Doch diese geschickt umgangenen Grundprobleme der Situation werden irgendwann nebensächlich angesichts der extrem intensiven Darstellung einer ungewöhnlichen (Lebens-) Haltung. In einer unglaublich gewaltigen und bewegenden Szene lässt der schwerkranke Arzt Luc (Michael Lonsdale) Tschaikowskis
Schwanensee erklingen und schenkt ausnahmsweise Rotwein aus. Für eine Abschiedsrunde, bei der die Kamera immer wieder auf diesen alten, ausdrucksstarken Gesichtern ruht - noch so ein wunderbarer Moment des Films, bei dem nicht nur die Brüder zu Tränen gerührt sind.

Dies war dann tatsächlich das letzte Abendmahl dieser Mönche, die danach entführt und ermordet wurden. Von den realen Trappisten, auf deren Geschichte dieser Film beruht, fand man nur noch die Köpfe - Beauvois lässt sie gnädig im winterlichen Nebel verschwinden. Dazu hört man den Abschiedsbrief des Priors (Matrix-Darsteller Lambert Wilson: beeindruckend!), der gleichzeitig das Vermächtnis des Films ist. Er spricht unendlich großherzig, milde und klug vom Unterschied zwischen Islam und Islamismus, von der Vorfreude zu hören, wie Gott die moslemischen Brüder sieht, und vom schweren Abschied von der Heimat, die Algerien den Mönchen war.