19.7.20

Als wir tanzten


Georgien, Schweden 2019 Regie: Levan Akin, mit Levan Gelbakhiani, Bachi Valishvili, Ana Javakishvili 114 Min. FSK ab 12

Die georgische Sanges- und Tanz-Kultur hat sich fast schon zu einem kleinen Unter-Genre des Dokumentarfilms entwickelt, so populär ist sie auch außerhalb des Landes. Ein Spielfilm-Drama über die unglückliche Liebe eines Nachwuchstänzers des Nationalballetts wurde allerdings in Georgien selbst zum Politikum mit Unruhen und Verhaftungen bei der Premiere. Das belegt exakt die im vielfach gelungenen „Als wir tanzten" bloßgestellte Schwulenfeindlichkeit.

Merab (Levan Gelbakhiani) folgt dem harten Unterricht an der Akademie des Georgischen Nationalballetts in Tiflis, um ins National-Ensemble zu kommen. Nun steht ein Vortanzen um eine Festanstellung an, ein Platz wurde frei: Ein Tänzer wurde in Armenien beim Sex mit einem Mann erwischt und furchtbar verprügelt. Jetzt droht ihm „Umerziehung". Dem traditionellen georgischen Bild von Männlichkeit entspricht im Umkleideraum der Akademie dummes Machogehabe und Gequatsche über neue Frauen im Bordell. Als Irakli vom Küstenort Batumi neu in die Klasse kommt, sieht Merab (Bachi Valishvili) in ihm zunächst einen Konkurrenten und verliebt sich dann. Dem Überschwang dieser sehr naiven Verliebtheit folgt emotionale und berufliche Ernüchterung. Wie in „Brokeback Mountain" gibt es früh diese Erwähnung, was offen Schwulen auch in dieser Gesellschaft passieren kann.

Der eher schmächtige, feingliederige Tänzer Merab hat viel auf seinen schmalen Schultern zu tragen: Er lebt mit Oma, Mutter und einem haltlosen Bruder zusammen. Obwohl er nebenbei in einem Restaurant jobbt, wird mal wieder der unbezahlte Strom abgestellt. Sein einst berühmter Vater ist mittlerweile kleiner, frustrierter Markthändler. Auch Oma und Mama haben übrigens international getanzt. Merabs Lehrer lässt ihn trotzdem täglich seine Verachtung spüren.

„Beim georgischen Tanz geht es nicht um Perfektion, es ist der Schrei unserer Gene", heißt es einmal. Selbstverständlich wird bis zum großen, freien Finale viel getanzt, viel getrunken und gegessen. Nebenbei immer wieder politische Themen: Die Politiker, die den Einfluss der orthodoxen Kirche zurückdrängen wollen. Die Angst vor einer weiteren russischen Invasion. Der Traum, in den Westen zu kommen.

Der aus Georgien stammende und in Schweden lebende Regisseur Levan Akin inszeniert mit schönen und lebendigen Bildern eine fast pubertäre, erste schwule Liebe mit der Orientierungslosigkeit des jungen Helden zwischen seiner langjährigen Freundin und dem Neuen in der Tanzschule. Levan Gelbakhiani beeindruckt in der Hauptrolle mit sehr expressiver Mimik zahlreicher Gefühlslagen. Es gibt wunderbar atmosphärische Szenen bei der Geburtstagsfeier von Merabs Freundin Mari im Landhaus ihrer Familie. Dann schwingt sich die Kamera wie bei Angelopoulos zu einer langen Plansequenz durch eine Hochzeitsgemeinschaft auf. Ein „Alltags"-Szene des heutigen Tiflis Straßenstrich zeigt jedoch Tunten wie in Karikatur. Aber trotz ganz schön vieler Probleme für diesen jungen Mann, muss man dem Film für die packende Geschichte und die vielen Einblicke dankbar sein. Wie der orthodoxen Kirche für zusätzliche Werbung durch Skandalisierung des Themas.