USA 2019 (The Biggest little Farm) Regie: John Chester 92 Min. FSK ab 0
Es fängt mit einem Hund aus dem Tierheim an, der Tag und Nacht bellt. Was für Molly und John Chester den Rauswurf aus der Wohnung in Santa Monica bedeutet. Der Filmemacher und die Food-Bloggerin kaufen darauf eine verlassene Aprikosenfarm mit völlig ausgemergeltem Grund, umgeben von lauter riesigen Monokulturen. Hier wollen sie ein natürliches Ökosystem errichten. Ausgerechnet zur Zeit einer historischen Dürre.
Während man sich fragt, wo das ganze Geld für die große Farm herkommt, genießt man die Ironie im Erzählton. Tatsächlich führt das Ziel möglichst breiter Biodiversität über die Jahre des Films zu einem kleinen Paradies mit 75 Sorten von Obst auf insgesamt 10.000 Bäumen. Es gibt nicht nur die sehr erfolgreichen freilaufenden Hühner, insgesamt werden 200 verschiedene Produkte produziert. Wenn im kleinen Paradies wieder Kolibris auftauchen, erinnert das auch emotional an die Arbeit des Fotografen Sebastião Salgado, der gewaltige Flächen Regenwaldregenwald wieder aufforstete. Zu sehen im wunderbaren Wenders-Film „Das Salz der Erde".
In der Dokumentation von John Chester vermengen sich vage bis esoterische Theorien über Landwirtschaft mit nettem Tierleben, wie der Geburt von sehr vielen kleinen Ferkelchen. Für Unterhaltung ist also gesorgt hat und auch für Spannung. Denn der Film begann ja mit einer fürchterlichen Feuersbrunst, welche die Farm bedrohte.
Die modernen naiven Wohlstandsmenschen John und Molly bleiben idealistisch, versuchen sogar die Kojoten zu integrieren, die ihnen die Enten töten. Auf der keineswegs kleinen Farm mit einem Haufen (freiwilliger oder bezahlter?) Mitarbeiter machen immer wieder kleine Dramen wie die Krankheit der Lieblings-Sau den Film attraktiv. Auch die Notschlachtung eines Lammes mit heraushängendem Gedärm wird für den Film ausgeschlachtet. Ob man die Geburt des eigenen Kindes mit der eines Rinderwurfes parallel montieren muss, ist Geschmackssache. Andere Geschichten wie die Verwaisung eines kleinen Lamms erinnern unangenehm an Disneyfizierung. Nicht allein in einer Vermenschlichung der Tiere, vor allem in der Simplifizierung komplexer Zusammenhänge. Die hier zum Zwecke eines tatsächlich sehr unterhaltsam Films auf kleine Geschichten und Sprüche reduziert wurden.
Man sollte dazu wissen, dass John Chester seine Geschichten bereits in mehreren preisgekrönten Kurzfilmen für die Show „Super Soul Sunday" der Drama-Queen Oprah Winfrey verwertet hat. Die „Apricot Lane Farm" ist mittlerweile eine Attraktion für Touristen.
„Unsere große kleine Farm" wirkt oft, aber nicht immer naiv: „Der Markt" kommt immerhin auch manchmal vor. Also der amerikanische „farmers market", auf dem die Produkte verkauft werden und als ökonomische Bedingungen, unter denen das Ganze funktionieren soll. Wichtiger ist jedoch das Prinzip, dass „die Natur" sich immer wieder selbst ausbalanciert.
Nun könnte Bauer Müller aus Deutschland sicherlich auch so ein Filmchen drehen, wenn er nicht gerade eine Frau suchen muss, wegen der Landflucht, oder zu den Banken muss, weil die Ideen der „natürlichen" Landwirtschaft seit Jahrzehnten nicht mehr funktionieren. Zum Ende ist bei der landwirtschaftlichen und filmischen Unternehmung die spaßige Leichtigkeit verschwunden. Leider ersetzt durch das Pathetische, Priesterhafte solcher moderner Naturfilme. Ein Misston bei einer eigentlich eindrucksvollen und traumhaften Geschichte.