27.7.19

Es gilt das gesprochene Wort

BRD, Frankreich 2019 Regie: Ilker Çatak, mit Anne Ratte-Polle, Arman Uslu, Godehard Giese 122 Min. FSK ab 12

Für alle, die sich mit Heiraten nicht so auskennen: Der Titel ist eine Eheschließungs-Formel auf dem Standesamt. Und kein Hinweis auf einen Redefilm, denn genau wie seine Hauptfigur, die Pilotin Marion, verfolgt das mit genauen Charakterisierungen packende Drama sein Ziel ohne Umschweife.

Die Hochzeit zwischen Marion (Anne Ratte-Polle) und Baran (Arman Uslu) ist eine seltsam ungelenke und lieblose Prozedur. Zwei Rückblenden zeigen, wie sie dahin kamen: Der Kurde arbeitete in einem türkischen Urlaubs-Ort als Tellerwäscher, Kellner und dann als Gigolo für Touristinnen. Die besonders sorgfältige Pilotin Marion war schon immer auf der Strecke nach Antalya unterwegs, doch dann bringt sie eine Krebsdiagnose mit ihrem Liebhaber Raphael (Godehard Giese) als Urlauberin ins Land. Den Anmachversuchen von Gigolo Baran begegnet sie spöttisch kühl. Als ihr Raphael wieder zu nahe kommen und zusammenziehen will, stößt sie diesen zurück und lädt Baran nach Deutschland ein.

Die Scheinehe wird der Start einer verspäteten Annäherung. Baran bekommt eine eigene, kleine Wohnung, einen Job bei der Gepäckabfertigung am Flughafen und soll drei Jahre lang keine Probleme machen, dann hat er nämlich einen eigenen deutschen Pass. Bei all dem bleibt etwas rätselhaft, wieso Marion Baran hilft. Sie ist eine klare, resolute Frau. Klüger als die Männer, weswegen sie meist die Sachen in die Hand nimmt. Aber einen Mann wie Baran kann sie besonders gut kontrollieren. Im Gegensatz zu ihrem Liebhaber hat Baran bei den Touristinnen gelernt, nichts zu verlangen.

Allein durch die Personenzeichnung im Alltag (Buch: Ilker Çatak, Nils Mohl), ganz ohne großes Drama versteht man, wie hier zwei Welten aufeinander treffen. Sie hat in ihrer Wohnung einen Aktenordner für ihn angelegt, er zeigt wirkliches Interesse. Eher spielerisch besteht er drauf, wenigstens bei einem der alten Fahrräder, die er wieder fit macht, am Lenker zu bleiben. Doch die Zynikerin, für die Familien- und Hochzeitsfotos ein Gruselkabinett sind, besteht weiterhin auf Abstand ...

Das Ende von „Es gilt das gesprochene Wort" fällt zwar etwas überdramatisch aus, aber auch hier findet Ilker Çatak ein wunderbares Bild für das Verhältnis von Nähe und Distanz. Der Regisseur erhielt 2015 für „Sadakat" einen Studenten-Oscar. „Es gilt das gesprochene Wort" ist sein zweiter Kinofilm nach „Es war einmal Indianerland" (2017). Am Rande werden politische und soziale Themen erwähnt: Dass kaum noch Deutsche in die Türkei kommen, die Situation eines Kurden in diesem Unrechts-Staat, aber auch der Umgang der Deutschen mit Einwanderern. Neben dem bemerkenswerten Können des Regisseurs ist vor allem Anne Ratte-Polle („Dark") sehenswert: Sie spielt eine wunderbare Härte, aus der immer mal wieder der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit hervorlugt.