8.9.14

A Most Wanted Man

Großbritannien, USA, BRD 2013 Regie: Anton Corbijn mit Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Robin Wright, Grigori Dobrygin, Nina Hoss, Daniel Brühl, Willem Dafoe 122 Min. FSK: ab 6

Ein neuer Film des niederländischen Star-Fotografen Anton Corbijn („Control", „The American") ist immer ein Fest für alle, die Kino sehen und nicht nur Explosion hören wollen. Seine Verfilmung von John Le Carrés Roman „A Most Wanted Man" (mit dem enthüllenden deutschen Buchtitel „Marionetten") garantiert Augenschmaus, Spannung und gesellschaftliche Brisanz. Wobei sich die Action sich auf handgestoppte zwei Szenen beschränkt. Zudem ist noch ein großartiger Auftritt des im Februar 2014 verstorbenen Philip Seymour Hoffman zu feiern.

Nachdem sich einige der vermeintlichen 9/11-Attentäter rund um Mohammed Atta in Hamburg aufhielten, geriet die Stadt verstärkt ins Visier der Geheimdienste. Unter ihnen ist in „A Most Wanted Man" der anscheinend strafversetzte Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman) Chef einer kleinen deutschen Einheit, die einen Job machen sollen, den deutsche Gesetze eigentlich nicht erlauben. In ihr Netz gerät nun der tschetschenische Flüchtling Issa Karpov (Grigori Dobrygin) direkt als er als Fremder die sehr bedrohlich dargestellte und komplett überwachte Stadt betritt. Nun reißen sich nicht nur das CIA mit der täuschend freundlichen Martha Sullivan (Robin Wright) und die offiziellen deutschen Schnüffler (bürokratisch: Rainer Bock) um ihn, auch die Menschenrechts-Anwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) will ihn - erst einmal unterstützen. Issa ist hasserfüllter Sohn einer mit 15 Jahren vergewaltigten Tschetschenin und eines russischen Offiziers und Vergewaltigers, der viele geraubte Millionen bei der Hamburger Bank von Tommy Brue (Willem Dafoe) gebunkert hat. Während Bachmann mit seinem Team (mit unter anderem Nina Hoss und Daniel Brühl in kleinen Rollen) Issa in einem fairen Deal als Lockvogel für größere Fische und internationale Waffenlieferungen nutzen will, folgt die geheime Konkurrenz bewährten Prinzipien: Erst erschießen oder foltern, dann Fragen stellen.

Die Handlung ist diesmal nicht so unübersichtlich wie zuletzt in dem ebenfalls großartigen „Dame, König, As, Spion". Doch wieder packend durch Schauspiel auf höchstem Niveau sowie eine besonders sorgfältige Inszenierung. Dass man den Film immer wieder anhalten möchte, um einzelne Bildkompositionen zu „liken", war zu erwarten, ist aber trotzdem nicht alltäglich im Kino. Die Hamburger Filmförderung darf für ihr verfilmtes Geld ausführlich in Hafenkaschemmen und Reeperbahn-Kulissen schwelgen. Aber vor allem das nahezu mythisch fotografierte Pyramiden-Gebäude der deutschen Geheimdienstler wie auch ein fast in Popart gestaltetes Sitzungsbüro sind optische Leckerbissen, die sich vom üblichen Postkarten-Abfilmen absetzen. John Le Carrés äußerst skeptische Sicht auf Geheimdienste und Politik wird hier in Figuren und Atmosphären kongenial umgesetzt. Da braucht es gar nicht die naiven Spitzen der Menschenrechtlerin Frau Richter zum Weißwaschen von dreckigem Geld unter dem Codenamen Lipizzaner.

Das Plädoyer für mehr Originalversion fällt diesmal nicht ganz eindeutig aus. Denn obwohl Philip Seymour Hoffman irgendwie absurd als Deutscher mitten in Deutschland mit Deutschen Englisch spricht - es bleibt die Stimme eines großen Künstlers und nicht die eines wie auch immer begabten Synchronsprechers.

„A Most Wanted Man" ist auch eine Hommage an Philip Seymour Hoffman in einer seiner letzten Rollen. Aus einem faltigen Gesicht mit der gleichen Schlagkraft, die ein DeNiro hat, fallen nur ein paar, aber dafür sehr starke Worte und Blicke. Wie Hoffman in Körperhaltung und Kettenrauchen, mit jedem Gang wie mit jedem Gesichtszug, mit dem gleichen beigen Anzug, der veralteten S-Klasse seinem Geheimdienstler Günther Bachmann (einem Verwandten Horst Herolds, des Vaters der Rasterfahndung) dieses ganz spezielle Format gibt, könnte man seitenlang feiern. Oder immer wieder sehen.