Kanada/Frankreich, 2012 (Cosmopolis) Regie: David Cronenberg mit Robert Pattinson, Juliette Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Jay Baruchel, Samantha Morton, Paul Giamatti 113 Min. FSK ab 12
Den Niedergang des Risiko-Kapitalismus mitzuerleben, ist kein Vergnügen. Wenn man sich das im Kino ansehen soll, muss schon Robert Pattinson den gierigen Zeitgeist verkörpern. Er spielt den extrem reichen Banker Eric Packer in David Cronenbergs Verfilmung von Don DeLillos prophetischem Roman „Cosmopolis".
Cronenberg inszeniert eine Stretch-Limousine auf der 24-stündigen Fahrt über die 47. Straße quer durch Manhattan als Panzer eines Cyber-Kapitalisten, als Monade. Kalt und herzlos bewegt sich der Multimilliardär Eric Packer (Robert Pattinson) im Schneckentempo durch New York. Während der US-Präsident und das Begräbnis eines Rap-Stars die Straßen blockieren, steigen Packers Analysten, Ärzte und Affären ein oder aus. Er trifft sich mit seiner Frau, die nach der Heirat zweier Geldfamilien seine Augenfarbe entdeckt und noch immer nicht mit ihm schlafen will. Draußen brechen soziale Unruhen aus, die Weltwirtschaft ist wieder in einer Krise, diesmal wegen des Yuan, und die reizvolle Idee der Ratte als Währung geistert herum. Gleichzeitig ist ein unbekannter Attentäter hinter Packer her, wie dessen Sicherheitsdienst berichtet. Der Mega-Reiche und -Mächtige sucht und erlebt an einem Tag seinen Niedergang, macht lustvoll den Ikarus, weil ihn alles andere zu langweilen scheint.
David Cronenberg und auch Leos Carax zeigten beim letzten Festival von Cannes die immer mehr raumgreifenden Stretch-Limousinen als Symbol für grenzenlosen Kapitalismus. Sowohl die dichten, gesellschafts-analytischen und psychologischen Dialoge als auch einzelne Szenen im neuen Cronenberg „Cosmopolis" sind hoch spannendes Gedanken-Futter. Das Emotionale ist im Protagonisten und im Film reduziert. Nur die Binoche darf als ganz normale Geliebte an Packers menschliche Seite appellieren. Bei der nächsten Besucherin geht es wieder zurück zum skurillen Normalzustand Während Packers Prostata in der Limousine untersucht wird, entdeckt direkt daneben seine vom Joggen durchgeschwitzte Analystin in einer wunderbar absurden Szene ihre verborgenen sexuellen Interessen. Allerdings verliert der Film zum Ende an Drive, ausgerechnet wenn es beim Friseur und väterlichen Freund Packers ans Innerste des Protagonisten gehen soll.
Im Vergleich der Stretch-Limousinen hat Carax nicht die längste, aber die schrägste, wenn er die unsinnige Perversionen auf Rädern als die eigentlichen Lebewesen zeigt, in denen Menschen nur als Schmarotzer mitfahren. Auch wenn der Cyber-Kapitalist vom Twilight-Blutsauger Robert Pattinson treffend verkörpert wird, schaut man sich „Cosmopolis" vor allem analysierend an. Wie schon beim letzten Film Cronenbergs, dem C.G. Jung-Drama „Eine dunkle Begierde", macht der Regisseur, der sich früher mit „A History Of Violence" (2005), „Crash" (1995) und vor allem „Naked Lunch" (1991) spektakulär in die Eingeweide des menschlichen Wesens wühlte, nun hauptsächlich Kopf-Kino.