17.7.12

Der Lorax

USA 2012 (Dr. Seuss' The Lorax) Regie: Chris Renaud 89 Min.

In der Plastik-Stadt Thneed-Ville sind die Bäume zum Aufblasen und werden mit Fernbedienung sowie Extras geliefert - einige sogar im Disco-Kugel-Modus! Nichts eignet sich besser für solche eine aseptische Kunstwelt wie die kunterbunten Visionen aus dem Animations-Computer. So scheint auch Dr. Seuss' Kinderbuch „Der Lorax" in der Verpackung als Animationsfilm (wahlweise 2 oder 3D) gut aufgehoben. Ein toller Spaß mit bunt abgefederter Gesellschaftskritik.

Der zwölfjährige, abenteuerlustige Ted Wiggins lebt mit schriller Mutter und kauziger Großmutter glücklich in Thneed-Ville. Bei all dieser Fröhlichkeit könnte man glatt vermuten, dass irgendwas in die täglichen Frischluft-Lieferungen gemixt wurde. Doch „Der Lorax" ist nicht so ein Film. Ted schwärmt einfach verliebt dem Nachbar-Mädchen Audrey hinterher, die von richtigen Bäumen malt und träumt, welche es früher mal gegeben haben soll. Als Audrey erwähnt, wer ihr einen echten Baum bringe, den würde sie glatt heiraten, sieht der Junge seine Chance gekommen. Den Hinweisen seiner gar nicht so verrückten Großmutter folgend, überwindet er mit einem Einrad-Elektroscooter die Stadtumzäunung und entdeckt draußen in einer toten, staubigen Welt das Haus eines einsamen Mannes...

Thneed-Ville könnte auch Pleasant-Ville oder Seahaven heißen, denn wie in der „Truman-Show" werden Ted die Schleier einer Scheinwelt von den Augen gerissen. Der grimmige, bärtige Typ, der sich in einem hohen Turm verschanzt, erzählt wie es dazu kam, dass die Bäume verschwanden: Ein junger Unternehmer holzte einen dieser magischen Stämme mit den unsagbar weichen Farbenstrudel im Wipfel um. Dies rief die eher lustige als mystische Figur Lorax hervor, den Wächter des Waldes. Zwar sind diese Marshmallow-Fantasie vom Paradies, die nächtliche Entführung mit Kuscheltier-Version der Mission Impossible-Melodie, das River-Rafting in Bett und Pyjama oder der Chor krähender Goldfische durchschüttelnd und umwerfend komisch. Aber den Tod des Waldes für ein gänzlich nutzloses Konsumprodukt verhindert der Lorax nicht.

„Der Lorax" bringt einen großen und leicht hintersinnigen Spaß vom Kinderbuch ins Kino: Flotte Abenteuer, fantastische Animationen, lustige Liedchen, ein Haufen 3D-Effekte und eine raffiniert verpackte Portion Gesellschaftskritik machen in Deutschland nachhaltig Werbung für den hier unterschätzten Kinderbuch-Autor Dr. Seuss („Horton hört ein Hu!", „Der Grinch"). Bei allem Spaß wird nebenbei Kapitalismus noch kindgerecht erklärt: Frischluft in Plastikflaschen ist doch genauso bescheuert, wie für Wasser zahlen, dass vom Himmel fällt. Doch wenn die Produktion dieser Luft-Flaschen die Umwelt völlig verschmutzt, macht der Unsinn sich selbst rentabel. Ein Schild-Kapitalisten-Streich.

Aber trotz dieses Hauchs von Öko ist „Der Lorax" kein tiefgründiges, mythisches Kunstwerk wie die Animationen von Hayao Miyazaki („Ponyo", „Prinzessin Mononoke"). Der Film ist sogar harmloser als die eigene Vorlage, die jetzt neu aufgelegt wurde. Doch wenn er einen mit großen Kuscheltier-Augen niedlicher Nager anblickt, wird die Trauer um den toten Baum, vielleicht genügend zukünftige Fortschritts-Profiteure rechtzeitig auf Abwege bringen.