24.6.12

Small Town Murder Songs

Kanada 2010 (Small Town Murder Songs) Regie: Ed Gass-Donnelly mit Peter Stormare, Jill Hennessy, Amy Rutherford, Vladimir Bondarenko, Stephen Eric McIntyre, Martha Plimpton 75 Min.

„Der einzige Zeuge" war 1985 ein extrem spannender Thriller von Peter Weir mit Harrison Ford als Polizist im Amish-Milieu. „Small Town Murder Songs" ist eine ebenso sensationelle Suche nach einem Mörder, diesmal unter Mennoniten und mit Fokus auf die zwischen Gewalt und Gerechtigkeit zerrissene Psyche des lokalen Sheriffs Walter. Zur einzigartigen Atmosphäre dieses eindrucksvollen Indie-Films tragen der kuriose Dialekt Plattdietsch und die umwerfenden, vom Gospel beeinflussten Songs von „Bruce Peninsula" bei.

Sie reiten noch mit ihren Kutschen über Straßen, die auch mal den Umzug eines kompletten Hauses auf riesigen Lastern sehen - begleitet von einem enthusiastisches Halleluja auf der Tonspur. „Small town murder songs" ist reich an eindrucksvollen Bildern und Widersprüchen. Wie den lokalen Polizei-Chef Walter (Peter Stormare), der von seinem Mennoniten-Vater wegen eines Gewaltausbruchs geächtet wird. Als man an einem See der kanadischen Gemeinde Greyfork County die Leiche einer Frau findet, dient Walter dem leitenden Kommissar aus der „britischen" Stadt als Übersetzer zu den religiösen Eigenbrödlern mit dem alt-niederländischen Dialekt. Aber er lenkt auch den Verdacht auf den extrem unsympathischen Freund seiner Ex Rita (Jill Hennessy). Begründet oder aus Rache an dem Ekel Stephen Eric McIntyre (Steve), der ihn zu jeder Gelegenheit verhöhnt? Während sich die Hinweise auf Eric verdichten, dem Rita ein Alibi gibt, wächst die Wut in Walter. Die Menschen im Dorf verlachen ihn, Rita hält ihn auf Distanz und dem Kommissar wird klar, dass sein Fall mitten in einem Komplex persönlicher Verstrickungen steckt. Und dann steht als Menetekel dieser Bibelsatz auf der Leinwand: Wenn dir jemand auf die rechte Wange schlägt...

„Bereue und glaube" - streng wie die in riesigen Lettern eingeblendeten Glaubens-Sprüche sind die Bilder gestaltet und doch voll mit abseitiger Faszination, wie man sie etwa von Jim Jarmusch kennt. Oder von Atom Egoyan, der den sagenhaften Film mit produziert hat. Diese religiösen Sektierer in Kanada waren vor der Flucht aus Europa verwandt mit ihren nun mexikanischen Glaubensbrüdern und -schwestern, unter denen das Ehebruchs-Drama „Stellet Licht" von Carlos Reygadas spielt. Die auch auf innere Kämpfe fokussierte Art des Films setzt ähnliche Akzente, wenngleich Ed Gass-Donnelly mit nur 75 Minuten Laufzeit ein völlig anderes Tempo vorlegt. Dementsprechend spielen Gesichter eine große und starke Rolle. Walter, der ebenfalls nicht als Sympathieträger von der Leinwand blickt, kämpft mit der Wut und kann als Einziger den fletschenden Schäferhund besänftigen. Die Lösung ist ebenso raffiniert wie eindrucksvoll und hält geschickt die Balance des Films zwischen Thriller und Psychodrama bis zum letzten Moment durch. Ein Erlebnis, dass man auch mit dem Soundtrack direkt wieder aufleben lassen will.