5.9.11

Venedig 2011 Shame, le Carré, NRW

Venedig. Nachdem die 68. Internationalen Filmfestspiele Venedigs in der ersten Hälfte mit großen Regisseuren, Stars für die bunten Seiten und täglich einem Knaller im Wettbewerbsprogramm verwöhnten, gesellten sich am Wochenende zu den bekannten Namen im Rennen um die Goldenen Löwen die ersten Festival-Favoriten. Michael Fassbender brilliert nach seiner Rolle des eher verklemmten Carl Gustav Jung in Cronenbergs „Gefährliche Methode" auch in Steve McQueens „Shame" (Schande) als sozial vereinsamter Sexsüchtiger. Das intensive Drama und sein genialer Hauptdarsteller sind heiße Kandidaten für die Hauptpreise, die am Samstag vergeben werden.

Michael Fassbender spielt den beruflich und bei den Frauen sehr erfolgreichen New Yorker Brandon. Ein gut aussehender, bestens bekleideter und sympathischer Mann. Der jede Beziehung verweigert, einen hohen Verschleiß an Prostituierten hat und sowohl die Festplatte als auch seine Schränke voller Pornos. Dieses derart geregelte Leben wird kompliziert, als sich seine Schwester (Carey Mulligan aus „Alles, was wir geben mussten") bei ihm einquartiert. Sissy ist ihm sehr ähnlich und ebenso einsam, nur gesteht sie sich diesen Scherz ein.

Fassbender, der in Heidelberg geborene und in Irland aufgewachsene Sohn einer irischen Mutter und eines deutschen Vaters, begeisterte schon in McQueens Erstling „Hunger" als hungerstreikender IRA-Kämpfer Bobby Sands. Er gilt nicht erst seit seinem Auftritt als Magneto in „X-Men. Erste Entscheidung" zur Zeit als eine der größten Leinwand-Sensationen.

Vereinsamte Individuen
Ein weiterer Geheimtipp der internationalen Regie-Szene und ein Favorit des Wettbewerb dreht sich ebenfalls um die Isolation des Individuums: „Alpis" des Griechen Yorgos Lanthimos („Dogtooth") zeigt ein Quartett unterschiedlicher Menschen, die sich Trauernden als Doubles der dahingegangen Lieben anbieten. Viele bizarre Situationen in dem zwischen Gangster-Geschichte und schwarzer Komödie angesiedelten Film führen zur Tragik einer Krankenschwester, die keine echte menschliche Bindung mehr kennt und völlig von ihren „Kunden" abhängig ist. Ein verstörender und fordernder Kandidat für die Löwen Venedigs.

In „Contagion", dem sehr ansteckenden Beitrag außer Konkurrenz von Steven Soderbergh, rafft eine neue Viren-Epidemie in ein paar Monaten 26 Millionen Menschen dahin. Deshalb startet der Regisseur von „Oceans 11" und „Traffic" auch gleich mit mindestens elf Stars, denn einige werden auf der Strecke bleiben. Kate Winslet darf dabei einen Schwächeanfall haben: „Contagion" ist schon ihr dritter Film dieses Jahr in Venedig! „16 Monate meines Lebens werden in 3 kurzen Tagen bewertet," meinte sie dazu. Soderbergh ist ein einzigartiger Könner und so erzählt sein Film ebenso rasant wie der Ausbruch des Virus. Dabei ist Soderberghs „Contagion" kaum merklich auch sehr politisch in dem er die ungerechte Verteilung der rettenden Impfdosen anprangert.

Ebenso überzeugend und auch im sorgfältigen Bild beeindruckend inszenierte der Schwede Tomas Alfredson die John le Carré-Verfilmung „Tinker, Taylor, Soldier, Spy". Gary Oldman, Colin Firth und John Hurt machen die Suche nach einem Spitzel in der Spitze des britischen Geheimdienstes mitten im Kalten Krieg zu einer schließlich doch sehr emotionalen Geschichte, in der nur gebrochene und vereinsamte Menschen zurückbleiben.

Deutsche Prominenz
Während für seine unsägliche Selbstbespiegelung „Wilde Salome" eine Goldene Uhr als „Glory to the Filmmaker Award" erhielt wurde der deutsche Produzent Martin Moszkowicz (Constantin Film) von der amerikanischen Fachzeitschrift Variety ausgezeichnet. So wiegt deutsche Prominenz die wenigen heimischen Filme auf: Doris Dörrie, Oliver Berben und Katja Eichinger waren zu Gast. Petra Müller, Geschäftsführerin der Filmstiftung NRW konnte Sönke Wortmann, Jessica Schwarz, Hannelore Elsner, Sandra Maischberger und NRW-Ministerin Angelica Schwall-Düren begrüßen. Während Produzent Marco Mehlitz gespannt auf eventuelle Auszeichnungen für den NRW-geförderten Cronenberg-Film „Eine gefährliche Methode" hofft, erlebt Jessica Krummacher die Premiere ihres im Ruhrgebiet gedrehten Debuts „Totem" erst morgen. Die „Mostra" bleibt spannend.