Irland, Großbritannien 2010 (The Guard) Regie: John Michael McDonagh mit Brendan Gleeson, Don Cheadle, Liam Cunningham 96 Min. FSK ab 16
Dieser Bulle ist ein Knaller! Nicht nur weil er kaum mit der Wimper zuckt, wenn es mal richtig knallt in seinem kleinen, irischen Kaff Conamara. Als fünf Jugendliche voller Alk und anderer Drogen sich mit einem Frontalcrash vor Mauer aus dem Verkehr und dem Leben ziehen, bevor sie weiter andere gefährden, checkt Gerry Boyle (Brendan Gleeson) erstmal, welche Rauschmittel die Jungs noch nicht verbraucht haben. Und wirft sie selbst ein! What a beautiful fucking day! Wer sich jetzt über ein beiläufiges „Fuck" aufregt, sollte schnell abschalten, denn Boyle und sein Film sind nicht der Hauch „PC", politisch korrekt. „Fuck" lautet mindestens jedes zweite Wort in dieser Gegend. Trotzdem bleibt Boyle auch bei einem Mord in seinem Revier ungerührt. Einschussloch in der Stirn und Topfpflanze im Schoß - hier wollte der Mörder etwas sagen, doch Boyle ist ahnungslos und bleibt cool. Allein der neue, junge Kollege aus Dublin nervt mit viel Gequatsche und voreiligen Fehlschlüssen. Trotzdem ist es schade, dass sich der Film mit voreiligen Volltreffern schnell von ihm verabschiedet. Nun zeigt Boyle Gefühle. Als wirklich alle anderen Kollegen bestochen sind, seine Lieblings-Nutte von den Drogendealern als Drohung verprügelt wird und die mit Humor und heimlichen Drogen gepflegte Mutter stirbt, zeigt er sogar Aktivismus.
Boyle ist ein Knaller! Wie seine Bemerkungen bei einem Briefing mit dem frisch aus den USA eingeflogenen FBI-Agenten Wendell Everett (Don Cheadle): „Ich dachte nur Schwarze sind Drogendealer", meint Boyle in Bezug auf die Fotos der irischen Verdächtigen und in völliger Ignoranz der Hautfarbe von Everett. Es folgen noch heftigere Provokationen, aber Boyles Joker ist, dass einer der vier gesuchten Drogenschmuggler bei ihm im Leichenschauhaus liegt. Nun könnte man eifrig versuchen, die Landung einer Riesenladung Heroin zu stoppen. Doch der „Guard" (irisch für Polizist) hat seinen freien Tag und genießt ihn mit zwei Prostituierten in Polizei-Uniform! Der Typ ist nicht nur Ire sondern auch noch völlig irre. Was Everett zu der Bemerkung führt: Ich weiß nicht, ob du total dämlich oder total raffiniert bist. Das bleibt offen, wie anderes auch.
„The Guard" hat so viel schwarzen Humor, dass dieser Film nicht schwarz-weiß, sondern schwarz-schwarz sein müsste. Doch seine Farben sind ebenso grell wie die Musik mit Cha-Cha-Cha und Calexio. Im Stil erinnert er an „Sexy Beast", doch hier steht die klasse Urgewalt Brendan Gleeson zentral, eine einmalige Erscheinung. Gleeson spielte mal auf IRA-Seite „The General" („Der Meisterdieb von Dublin"), und bei „Harry Potter" den Alastor 'Mad-Eye' Moody. Martin McDonagh, der Bruder von Regisseur John Michael, setzte Gleeson trefflich ein in „Brügge sehen... und sterben?" (2008).
Wobei sich John Michael McDonagh bei seinem vielfältigen Humor keineswegs auf seinen Star verlässt. Da werden auch die bösen Jungs eingeführt, während sie über Literatur und Popsongs philosophieren. Ihr wahnsinnigster Killer kennt zwar nicht den Unterschied zwischen Soziopath und Psychopath, aber gehört so oder so zu diesem Club und mag Chet Baker. Beim Jogging am Strand erklingt nicht irisches Geleier sondern Mexikanisches von Calexio. Ein ungewöhnlicher, aber trefflicher Spaß mit viel frechem und schwarzem Humor.