USA 2011 (The Debt) Regie: John Madden mit Helen Mirren, Sam Worthington, Jessica Chastain, Jesper Christensen, Marton Csokas, Ciarán Hinds, Tom Wilkinson 113 Min. FSK ab 16
Israel 1966: Drei junge Agenten des Mossad kehren von einem Auftrag zurück. Rachel, David und Stefan sind die jüngsten in der Geschichte des Geheimdienstes und sie werden Helden, weil sie in Ostberlin Dieter Vogel, den „Chirurgen von Birkenau", eine Art Mengele, der Menschen für medizinische Experimente quälte, umgebracht haben. Dreißig Jahre später ist Sarah, die Tochter der Rachels, immer noch sehr stolz auf die Taten der Mutter und veröffentlicht ein Buch darüber. Doch vor der feierlichen Präsentation wirft sich David (Ciarán Hinds) vor ein Auto, als ihn Stefan abholen lassen will. Auch der Umgang der einstigen Ehepartner Rachel und Stefan bei der Veröffentlichung macht klar, dass hier etwas nicht stimmt. Die Version der Heldentat, die wir in einer Rückblende sahen, und in der Rachel den fliehenden Vogel erschießt, entspricht nicht der Wahrheit. In zwei fließend miteinander verknüpften Zeitebenen erzählt nun „Eine offene Rechnung", was wirklich geschah, und schon die besondere Eleganz dieser Montage macht klar, dass dies auch ein besonderer Film ist.
„Eine offene Rechnung" ist das neueste Werk von John Madden, der zur Jahrhundertwende mit
„Corellis Mandoline" (2001), „Shakespeare in Love" (1998) und „Ihre Majestät Mrs. Brown" (1997) die Aufmerksamkeit erhielt, die er verdient. Ganz anders als die abgebrühten Killer aus Spielbergs „München" sind die Mossad-Agenten hier junge, unsichere Menschen, die in ein unwirtliches Ost-Berlin geworfen werden. Vor allem Rachel (Jessica Chastain) nimmt ihr erster Außeneinsatz sehr mit. Auch wenn der vermeintliche Agenten-Thriller von der Entführung Vogels bis zur gescheiterten Flucht per S-Bahn immer spannender wird, geht es nicht nur nebenbei um eine schwierige Dreiecks-Geschichte und immer um die Wahrheit. Nachdem Vogel nämlich psychologisch sehr geschickt seine jungen Entführer manipuliert und schließlich entkommen kann, entschließen sich die frustrierten Idealisten, „für Israel" ein Lüge zu erzählen. Während Stefan wie geplant auf ihr seine politische Karriere aufbaut, frisst sie den sensibleren David auf. Schon im Werben um Rachel zeigte sich der Unterschied zwischen dem forschen und dem schüchternen Mann. Dreistigkeit siegt und vergiftet alles. So entschließt sich die alte Rachel (Helen Mirren) noch einmal zu einem Agenten-Einsatz, um alle von der Lüge zu befreien...
John Madden kann Spannung, aber auch vieles andere! Unterstützt von einer großartigen Besetzung packt das Remake des israelischen TV-Films „Ha Hov" (2007) von Assaf Bernstein, der bei uns als „Der Preis der Vergeltung" lief, atmosphärisch und psychologisch. Einen Widerhaken zum Nachdenken setzt die Geschichte - wie schon „München" - im Sinne des deutschen TV-Titels: Waren (und sind) staatliche Vergeltungsaktionen tatsächlich positiv. Gibt es ein gerechtes Morden?
Auch wenn sie nur durch eine dicke Narbe auf der Wange als die gleiche Person in zwei Lebensabschnitten zu erkennen sind, bilden Helen Mirren und Jessica Chastain mit ihrer Figur Rachel die Doppelseele des Films. Chastain, die mit ihren Rollen in „Tree of Life", „Al Pacinos Salome" und „Killer Joe" ein grandioses Leinwand-Jahr hat, ist auf verblüffende Wirkung abonniert. Mirren wirkt lange nicht wie eine ehemalige Agentin, bis sie im eindringlichen Finale dem Vergeltungswahnsinn einen ungeheuren Schlusspunkt setzt.