Star-Waltzer
Venedig. König George (Clooney) ist abgetreten, ab heute beherrscht Queen Madonna den Catwalk namens Roter Teppich. Beim Venedig-Auftritt der Selbstvermarktungs-Vorgängerin von Lady Gaga tritt die Filmkunst in den Hintergrund. Die Sängerin, die sich zum zweiten Male als Regisseurin versucht, ist wie das meiste in ihrem Film „W.E." flirrender Glimmer, Dekoration. Ein substantieller Spaß hingegen „Der Gott des Gemetzels", der neue Film von Roman Polanski, in dem Christoph Waltz mit bekannten Hollywood-Größen spielt.
Nachdem der übel faschistische Wettbewerbsbeitrag „Warriors of the Rainbow: Seediq Bale" aus Taiwan wegen seiner vielen Massaker und Enthauptungen eigentlich „Gott des Gemetzels" heißen müsste, erwies sich Polanskis Film, der diesen Titel wunderbar ironisch verwendet, als herrliche Gesellschaftskomödie. Das Kammer-Quartett aus zwei New Yorker Elternpaaren, die zivilisiert die Prügelei ihrer Söhne klären wollen, war bei der ersten Vorstellung auf dem Lido ein sehr unterhaltsamer Lacherfolg, schon bevor unter Alkoholeinfluss die Masken fielen. Christopher Waltz spielt mit wenig feiner Ironie seiner aalglatten Anwaltsfigur tatsächlich etablierte Weltstars wie Jodie Foster, Kate Winslet und John C. Reilly an die fein dekorierte Wand (Produktions-Design: Dean Tavoularis).
Das zugrunde liegende Theaterstück von Yasmina Reza, das auch in Deutschland schon zu sehen war, lässt unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen und zurückgehaltene Wahrheiten entgleiten. Obwohl die Eltern des „Täters" (Winslet, Waltz) eigentlich schon aus der Tür raus sind, gibt es nach einem Kaffee noch Streit, Vorwürfe, Handy-Gemetzel und auch eine Kotz-Einlage von Kate Winslet. Ob wir tatsächlich alle Tiere oder Egoisten sind, und ob Männer sich auf den John Wayne-Typus reduzieren lassen, bleibt offen und diskutabel. Derweil macht diese überraschende Enthüllung wahrer Persönlichkeitszüge durchgehend viel Spaß. Der neue Polanski ist fast ein Woody Allen.
Falscher Schmuck
Madonna, was für ein Theater: Schon am Morgen war die erste Vorstellung von Madonnas Regiearbeit „W.E." hoffnungslos überlaufen. Am Ende der Vorstellung sah man jedoch wieder viele leere Sitze. Der Versuch, die „Romanze des Jahrhunderts" zwischen dem aus Liebe abtretenden König Edward VIII. und der bürgerlichen Amerikanerin Wallis Simpson (Wallis + Edward = W.E.) irgendwie „magisch" mit den Beziehungsproblemen einer reichen New Yorkerin von heute zu verbinden, misslingt unter großem Material-Aufwand. Madonna bleibt das „Material Girl" ihres Songs, wenn sie im Film Marken, Luxus und Juwelen ausstellt, aber nicht für die Figuren interessieren kann. Wie passend, dass der multiple talentierte Star, bei dem es trotz aller Beziehungen und Gastauftritte wieder nicht zu einem guten Film reicht, morgen während einer Gala einen Preis für weibliches Filmschaffen verleiht. Die Namen von Veranstalter und Sponsoren bleiben hier ausgeblendet, auch wenn „W.E." eher auf die (Selbst-) WErbe-Seiten als in die Kunst gehört.