Großbritannien 2010 (Toast) Regie: SJ Clarkson mit Helena Bonham Carter, Freddie Highmore, Ken Stott, Victoria Hamilton 95 Min. FSK ab 6
Der Gang eines glücklich schwebenden Jungen durch einen Lebensmittelladen voller „Memories", wie auf einer Verpackung steht, und anderer Artikel mit Namen der beteiligten Schauspieler und anderen Filmemacher. Ok, dies sind also die Erinnerungen von Nigel Slater, der später mal ein zufriedener Koch wird. So viel sei schon verraten. Und es wird ein sehr, sehr lustiger Wohlfühlfilm, auch das verrät die traumhafte Anfangssequenz, die vor einer himmlisch strahlenden Käsevitrine endet.
„Mutter, kaufen wir mal etwas Frisches?", fragt der neunjährige Nigel, der noch nie etwas gegessen hat, was nicht aus der Dose kam. Die Liebe zu seiner Mutter ist trotzdem größer als alles andere. Der Fürsorglichen, die ein Katastrophen-Gebiet in der Küche ist, gesellt sich ein übelgelaunter Vater zu. Ob dessen Stimmung an den verbrannten Konservendosen - tatsächlich! - leidet? Das einzige, was der Mutter gelingt, ist ein Toast zum Abendessen. So ist der Junge auf immer auch begeistert von dieser wunderbaren Mahlzeit. Den Mangel an eigentlich jedem schmackhaften Nahrungsmittel gleicht er nachts aus, indem er stöhnend und heimlich unter der Bettdecke Kochbücher liest. Was den Vater auf schmutzige Gedanken bringt. Auch das ekstatische Spiel mit einem eingebildeten Kaufladen im Garten, lässt dessen Sorgen anwachsen. Doch vor allem nagt selbst an diesem anscheinend völlig gefühllosen und unnahbaren Menschen die schwere Krankheit seiner Frau.
Die Reise zu einem verregneten britischen Badeort bleibt nicht wegen des in Gelee gebadeten Dosen-Hams beim Strandpicknick in Erinnerung. Hier begreift Nigel, dass seine geliebte Mutter sterben muss. Dieses Jahr gibt es den traditionellen „mince pie" schon vor Weihnachten, weil sie dann bereits nicht mehr leben wird. Und eines Nachts liegt neben dem völlig erstaunten Nigel der heulende Vater im Bett. Doch das bleibt ein seltener Ausbruch von Nähe. Dem tristen Leben von Witwer und Halbwaisen kann Nigel durch erste Kochversuche nicht wirklich Farbe geben. Spaghetti Bolognese bleibt völlig exotisch und schon bald übernimmt die Putzfrau Mrs. Potter (Helena Bonham Carter) immer mehr Aufgaben der verstorbenen Hausfrau. Ironischerweise geht die Liebe diesmal durch den Magen: Mrs. Potter mästet Mr. Slater geradezu und selbst Nigel kann der verhassten Person eine gewisse Achtung nicht verweigern. Sobald der Junge in der schulischen Haushaltsklasse selber kocht, beginnt ein bitter-süßer Konkurrenzkampf im Hause Slater...
Alles an diesem köstlichen „Toast" ist unglaublich detailliert und liebevoll gestylt. Die Möbel, Tapeten und die historischen Kulissen der 60er und der frühen 70er umgibt ein Hauch von pastellfarbener Künstlichkeit. Die tollen Songs wirken als Zeitmaschine und als treffsichere Gefühlsverstärker. Dabei werden die Figuren nicht vergessen. Beispielsweise der maskuline Gärtner Josh, zu dem Nigel sich hingezogen fühlt. Als Gegensatz zur Konservenküche der Mutter, isst er direkt von den Früchten der Natur. SJ Clarkson verfilmte die Buchvorlage von Nigel Slater als Ausstattungs-Orgie und genaue Nachzeichnung der Gefühlslagen eines besonderen jungen Mannes. Dass man sich dabei nie wirklich um Nigel sorgen muss, mag an der gnädigen autobiographischen Rückschau liegen. Es macht diesen sehenswerten Film auch zu einem noch angenehmeren Vergnügen.