Der alte Indiana Jones trifft den neuen James Bond
Locarno. Cowboys und Aliens, Indiana Jones und James Bond, Kultur und Popcorn. Der Mix am ersten Wochenende beim 64. Internationalen Filmfestival von Locarno (3.-13.8.) war perfekt. Das Team des Hollywood-Films „Cowboys & Aliens" mit Regisseur Jon Favreaux sowie den Darstellern Harrison Ford, Daniel Craig und Olivia Wilde beendete seine Europa-Tournee Samstagabend am Lago Maggiore. Bei der abendlichen Open Air-Vorführung auf der Piazza Grande mit mehreren Tausend Zuschauern nahm Harrison Ford in seiner typischen, bescheidenen Art den „Lifetime Achievement Award" des Festivals entgegen.
Die 64. Ausgabe des traditionellen Filmfestivals am Lago Maggiore erlebte bislang selten den Sternenhimmel des Tessins, doch dafür Stars wie nie zuvor: Neben Harrison Ford bekommen auch Abel Ferrara, Isabelle Huppert, Claudia Cardinale, Bruno Ganz und ein paar andere Edelmetall fürs Reisegepäck. Während sich im reizvollen Wettbewerb immer noch Weltkino in vielen kunstvollen Facetten widerspiegelt, hat die Piazza Grande endgültig die Schleusen für den populären Film geöffnet: Gleich zum Auftakt gab es den Science Fiction-Knaller „Super 8". „Freunde mit gewissen Vorzügen" kümmerten sich mit Justin Timberlake und Mila Kunis um Herz und Humor. Aus Cannes kommen das geistlose Action-Gefährt „Drive" und die wunderbare Komödie „Le Havre" von Aki Kaurismäki. Mit dem norwegischen „Headhunters" von Morten Tyldum und dem deutsch-schweizer „Hell", dem Langfilm-Debüt des äußerst talentierten Tim Fehlbaum, gab es bestes Genrekino. Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Stipe Erceg und eine ungewohnte Angela Winkler als Kannibalen-Mutter spielen die Bewohner einer versengten Erden-Hölle ohne Wasser oder Pflanzen und nutzten die Piazza-Bühne für eindrucksvolle Auftritte. Bis - wie aus einer anderen Dimension - Hollywood mit Ford und Favreau einflog.
Wie in „Cowboys & Aliens" selbst, in dem Außerirdische in schönster Western-Kulisse Gold schürfen und Menschen wie Vieh mit futuristischen Lassos einfangen, war der Star-Auftrieb im Alpenland ein Zusammenstoß der Kulturen. Doch schnell fanden sich die Cineasten in Form von Festivaldirektor Olivier Père und „film director" Jon Favreau. Der Regisseur von unter anderem „X-Men" bedankte sich höflich, dass die Europäer die gute alte Western-Tradition noch schätzen würden. (In den USA startete der Film bereits nicht berauschend.) Harrison Ford bedauerte fast glaubhaft, dass er nicht mehr Western drehen konnte. Den Regisseur seines letzten, „Frisco Kid" aus 1979, erinnerte er nicht mehr. Père half mit Robert Aldrich aus. Auf(t)ritte bei der „Shilo Ranch" und bei „Rauchende Colts" wollte keiner mehr erwähnen, bei dem Mann, der in „Star Wars" als Han Solo und als „Indiana Jones" zu Legende wurde. Bescheiden ließ er Raum für den Nachwuchs in Person von James Bond Daniel Craig, nach Favreaus Meinung, der ideale Schauspieler für einen Western: „Ein klassischer Filmstar, den man den Cowboy abnimmt, energisch und nicht besonders beredt."
So sieht sich der Brite auch selbst in der Adaption eines Comics als Mann zwischen Gut und Böse, der einen Bußgang antreten muss. Die Hollywood-Delegation bemühte auf dem europäischen Festival große Worte für einen Unterhaltungsfilm, der damit beginnt, dass Craigs Figur in der Savanne mit einer seltsamen Manschette am Handgelenk aufwacht und sich an nichts erinnern kann. Bis er herausbekommt, dass das Ding die erst einige Zeit später auftauchenden Ufos abschießen kann, darf er sich mit einem mörderischen und zynischen Viehbaron anlegen, der von Ford gespielt wird. Nicht die überzeugendste Besetzung dieser Rolle und auch mit dem Reiten tat sich der Rentner sichtlich schwer. Doch das Publikum war begeistert als ihr - und Olivier Pères - Idol verkündete, das Drehen bereite ihm immer noch viel Spaß und er mache weiter, so lange er kann.
„Regisseure arbeiten viel länger und härter für viel weniger Geld!"
(Harrison Ford auf die Frage, weshalb er nie Regie führte.)
„Ich liebe die gemeinsame Arbeit, ich will nicht kontrollieren."
(Lautes Lachen der Kollegen Daniel Craig und Olivia Wilde.)