24.11.09

Nokan - Die Kunst des Ausklangs


Japan 2008 (Departures - Okuribito) Regie: Yôjirô Takita mit Masahiro Motoki, Tsutomu Yamazaki, Ryoko Hirosue 130 Min. FSK o.A.

Oscar-Sieger in der Kategorie „Ausland“ sind prinzipiell sehr universale Filme - sie gefallen gerne in vielen Kulturen. (So sind die deutschen Sieger auch nicht unbedingt die besten deutschen Filme.) Nun erzählt der japanische „Nokan“ von Leben und Tod, von Abschiednehmen und davon, dass die Suche nach dem richtigen Platz im Leben ein ganzes Leben dauern kann.

„Nokan“ legt einen kräftigen Auftakt mit einer andächtigen Szene hin, die allerdings eine delikate Überraschung verbirgt: Bei der rituellen japanischen Reinigung und Ankleidung einer toten jungen Frau entdeckt der junge Leichenbetreuer dass die Frau ein Mann ist. Sein älterer Kollege und Chef löst die Situation vor den Augen der anwesenden Familie mit viel Feingefühl auf.

Daigo Kobayashi (Masahiro Motoki) kam zu diesem ungewöhnliche Beruf zufällig, als sich das (private!) Orchester des Cellisten auflöste und er eine Stellenanzeige für „Reisebegleitung“ falsch verstand. Anfänglich macht der Film auf albern, wenn Daigo gleich beim ersten Auftrag statt dem „Nur zuschauen“ eine stark verweste Leiche mit Maden und anderem Unappetitlichen auf ihn wartet. Danach muss unbedingt den lebendigen Körper seiner jungen Frau spüren. (Die süßliche Pianomusik dabei zieht die Szene weit über das Ziel Einfühlung hinaus.)

Trotz erster Widerstände erweist sich dieser Job voller Überraschungen - wie Daigos Einsatz als Model für ein Leichenwasch-Video - als einfühlsame Geschichte über verschiedene Formen des Abschieds. Diese sorgsam ausgeführten Handlungen am toten Menschen führt der faszinierende Chef Ikuei Sasaki (Tsutomu Yamazaki) als große Kunst vor. Bei der Wahl seines Nachfolgers zeigte sich Herr Sasaki noch cool bis kauzig, aber im Umgang mit den Toten lebt er eine berührende Sorgfalt und Liebe vor. Damit erreicht er bei der Trauergemeinschaft einer Mutter einen großen Wandel. Zuerst ist der Witwer wütend und aggressiv wegen ein paar Minuten Verspätung. Als Sasaki die Tote aber mit ihrem Lieblingslippenstift verziert, brechen alle in Tränen aus, weil man sie noch nie so schön gesehen habe. Im Gegensatz dazu gerät eine Trauerfeier zum großen Familienstreit, als eine Tote nicht wie erwünscht aussieht.

Wenn der zurückgezogene Genießer Herr Sasaki Kugelfisch-Rogen verspeist, kommen in dem manchmal hochgiftigen Fisch und seinen Eiern die Themen Tod und neues Leben wieder vor. Und selbst die Lachse, die (etwas künstlich) nach einer unvorstellbar langen Strecke den Strom hinauf schwimmen, um zu laichen und zu sterben, erfüllen ihre Bestimmung im Sinne des Films: „Sie wollen nach Hause kommen!“ Leider vertraut der Film auf nicht seinen reichlich vorhandenen Qualitäten. Bei der firmeninternen Weihnachtsfeier wird zum Beispiel das Ave Maria von Daigos Cello plötzlich aus dem Off mit Klavier begleitet. Das macht es nicht stärker, sondern kitschig.

Das kann man dem ganzen wunderbaren Film vorhalten. Alles geht so schön ineinander auf, alles löst sich schließlich in Wohlfühlen auf. Selbst die Verachtung, die Daigo wegen seines neuen Berufs erfährt, verschwindet, als seine Frau ihn beim Abschied von einer Bekannten sieht. Letztendlich kann Daigo sogar mit seinem verhassten Vater über das Mittel der Zeremonie Frieden schliessen. Das mag für einen Oscar reichen, wer mehr als eine universelle Harmonie in den Wendungen des Lebens vermutet, sollte sich lieber Verlierer-Filme ansehen.