10.11.09
2012
USA, Kanada 2009 (2012) Regie: Roland Emmerich mit John Cusack, Woody Harrelson, Thandie Newton, Amanda Peet, Oliver Platt, Danny Glover 158 Min.
Kaiser Nero hatte den falschen Job. Nur weil er ein - noch recht übersichtliches - Rom in Flammen sehen wollte, bekommt er Jahrhunderte lang schlechte Kritiken. Roland Emmerich hat einen coolen Job. Was Gott mühsam in sechs Tagen geschaffen hat, demoliert er in zweieinhalb Stunden detailverliebt und gründlich. Der Entwurf für eine neue Erde dauert bei Emmerich lächerliche fünf Minuten. Und der deutsche Regisseur, Autor und Produzent wird exzellente Kritiken bekommen. Nur wird der Ruhm nicht Jahrhunderte halten.
Die Zahl 2012 hat nichts mit dem Auslauftermin für die Erde gemäß Maya-Kalender zu tun - der wurde kürzlich auf 2220 aktualisiert. 2012 ist exakt die Zahl der Katastrophen-Filme, die in diesem gigantischen Katastrophen-Overkill unter die Räder kommen. Und es macht höllisch Spaß, die Erde auseinanderfallen zu sehen
In Emmerichs Zerstörungs-Orgie zerlegt die digitale Technik mit Lust und tausenden Spezial-Effekten bekannte Gebäude und Symbole: Das Weiße Haus, der Peterdom mit seinen Kunstschätzen in der Sixtinischen Kapelle. Ein Riss geht bedeutungsschwanger durch Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ genau zwischen den ausgestreckten Fingern Adams und Gottes. Will uns das was sagen? Nee, es sieht nur gut aus. Überhaupt geht hier ein Riss durch alles, vor allem quer durch Kalifornien und taucht immer dort auf, wo der Chauffeur Jackson Curtis (John Cusack) gerade mit seiner Familie fliehen will. Dabei prasseln von oben Wolkenkratzer herunter, während ein paar Kilometer tiefer Lavaströme sichtbar werden. Und wenn man sich beim Postermotiv fragt, wie hoch die Wellen denn sein müssen, damit sie ein tibetanisches Kloster im Himalaya hinwegspülen - das ist noch nicht der Höhepunkt. Der wird geschrammt, wenn im neuen Schifffahrtsverkehr, der Mount Everest ein Hindernis ist. „2012“ ist vor allem atemberaubend gigantisch und dabei witzig.
Handlung? Ach so ja: Die macht so sehr auf Katastrophen-Film-Routine, dass man sie zum Glück nicht ernst nehmen kann. Der geschiedene Jackson Curtis rettet zu Wasser, zu Lande und in der Luft seine beiden Kinder und die Ex, bis im großen Titanic-Romantik-Moment wieder alles gut ist. Zum Spaß an „2012“ gehört auch, dass der neue Held John Cusack nicht wie Bruce Willis im Unterhemd die Welt oder zumindest die amerikanische Menschheit rettet. Cusack behält bis zuletzt seinen Anzug und auch noch die Krawatte an. Auch ansonsten ist alles so haarsträubend unmöglich, dass es wieder gut ist. Während sich die Erde ziemlich rasant auflöst und nur die Superreichen eine Rettung erhoffen, sorgen Nebenfiguren für Ablenkung, die wissen, dass sie kein Ticket für das Finale haben und bei kurzen Auftritten alles geben müssen.
Es ist grandios, wie Emmerich die Mutter aller Katastrophen-Filme inszeniert: Untergang der Titanic? Machen wir in 90 Sekunden besser. „Twister“? War ein laues Windchen. Pierce Brosnans Vulkanausbruch „Dantes Peak“ erschüttert niemanden mehr, wenn man nun Woody Harrelson auf Lava trippen sieht. Emmerich multipliziert die Meteoriten-Einschläge von „Deep Impact“ massenhaft. Wie beim „World Trade Center“ purzeln die Steine der Hochhäuser und sogar seinen „Godzilla“ bekommt der Weltuntergangs-Spezialist unter.
„2012“ hebt völlig ab, in jeder Dimension. Endlos rast man vor Erdbeben, die ganze Staaten verschlingen, davon, indem man nur kräftig genug Gas gibt und der Tochter sagt, schau nicht nach hinten. Auch eine gigantische Vulkanexplosion kann man bestaunen, sich dann umdrehen und ganz ganz schnell weglaufen. Dieser Film ist ebenso hirn- wie Erdkrusten-rissig, und atemberaubend guter Action-Stoff. Ernst nehmen braucht man ziemlich schnell gar nichts mehr, selbst Familien-Geschichte und Appell an die Menschlichkeit sind nur schnell angeheftete Feigenblätter für den Spaß, gleich den ganzen Erdball zu demolieren. So circa 4 Milliarden Menschen sterben, man sieht gerade mal einen halben Liter Blut und alles wird gut, wenn eine Familie überlebt und wieder zusammen kommt.
Auffällig ist bei „2012“ die deutschsprachige Seilschaft, die mit Emmerich zusammenarbeitet: Special Effekts-Spezialist Volker Engel, 1965 in Bremerhaven geboren, kommt zu Produzenten-Ehren, er machte schon die Tricks bei „Godzilla“, „Independence Day“, „Universal Soldier“ und bereits 1990 bei „Moon 44“. Ko-Autor Harald Kloser, 1956 im Vorarlberg geboren, war bislang als Komponist fürs deutsche Fernsehen und für internationale Produktionen aktiv.