23.6.09
Flash of Genius
USA 2008 (Flash of Genius) Regie: Marc Abraham mit Greg Kinnear, Lauren Graham, Andrew Gillies 120 Min. FSK o.A.
Wisch Wisch. Pause. Wisch Wisch. Pause. Wisch Wisch. Pause … Man muss sich tatsächlich in eine andere Zeit versetzen, um die in regelmäßigen Intervallen geleistete Wischarbeit eines Scheibenwischers auf der verregneten Windschutzscheibe eines Autos als besondere Erfindung zu begreifen. Mittlerweile kontrollieren Sensoren, ob denn überhaupt und wie viel Regen wegzuwischen ist. Das verkauft die Werbung mit dem Stern als eigene Erfindung und man fragt sich nach diesem Film dringend, wem die das denn wohl geklaut haben. Denn der Erfinder der Pausen zwischen dem Wisch und dem nächsten Wisch, Robert Kearns (1927 – 2005), kämpfte zwölf Jahre gegen die amerikanische Automobilindustrie, um seinen Beitrag für die freie Sicht der Menschheit auf überfüllte Straßen anerkannt zu bekommen. Dabei verlor er fast den Verstand und sein Familienglück. Doch der Hollywood-Film sorgt auch bei dieser kuriosen Geschichte für den runden Verlauf und ein versöhnliches Ende.
In den Sechzigern hatten die großen Autohersteller von Detroit, die heutzutage absurd hohe Abwrackprämien vom Staat kassieren, nur das beste Image. Sogar der Gottesdienst wurde von der Automobil-Industrie bestimmt. Einer der kindlichen Bewunderer von Ford, Robert Kearns (Greg Kinnear), ist Familienvater, Ingenieur und doziert über Ethik in der Wissenschaft. Irgendwann wundert er sich, weshalb Scheibenwischer nur wischen oder nicht wischen können, denkt eine Weile nach, lötet etwas herum und hat den Prototypen eines Wischers, der auch mal Pause machen kann. Die geniale Weiterentwicklung muss nun nur noch den großen Autokonzernen verkauft werden, die selbst bislang keine Lösung für das Problem finden konnten. Nachdem erste Gespräche mit Ford hoffnungsvoll verlaufen, werden die Verhandlungen plötzlich abgebrochen und bald findet sich Roberts Erfindung in ersten Luxus-Modellen und irgendwann in jedem Auto weltweit. Er selbst erhält keine Honorierung und erfährt keine Anerkennung. Nun beginnt ein Anfechten dieser Entwicklung, das Drama eines Don Quixote, dessen Windmühle ein Scheibenwischer ist. In seinem verzweifelten immer wahnsinniger werdenden Kampf klaut er sogar Scheibenwischer-Motoren aus fremden Autos und landet in einer Nervenheilanstalt.
Die Zeiten haben sich verändert, ein Scheibenwischer, der in unterschiedlichen Geschwindigkeiten wischt, haut keinen mehr vom Hocker. Die im Film glorifizierte, ja vergötterte Automobil-Industrie läuft nur noch als Maschine zum Geldvernichten. Was kann am Konstruieren eines Scheibenwischers also auch nur annähernd interessant sein? Zum Beispiel wie Robert Kearns zusammen mit seinen Söhnen im Hobbykeller werkelt, wie er die Konstruktion einfach hält und dass es eine Ästhetik auch im technischen Design gibt. Dann müsste man noch gutes Schauspiel anschließen, damit das Drama funktioniert. Und es funktioniert dank Greg Kinnear. Sein Kearns ist einerseits beängstigend fixiert auf seine Ideen, dann aber auch herzerfrischend menschlich mit kleinen Scherzen, die keiner von ihm erwartet. „Flash of Genius“ ist auch - obwohl es eine wahre Geschichte ist - ein Hollywoodmärchen davon, wie Robert seine Familie verliert und wiederfindet. Zumindest teilweise. Und sich wieder freuen kann, Regentropfen auf einer Scheibe zu sehen.
„Tucker“ von Francis Ford (sic!) Coppola erzählte eine ähnliche Geschichte vom vergeblichen Kampf eines Individualisten gegen die übermächtige Automobil-Industrie. Und ließ den Individualisten Coppola wieder einmal fast pleite gehen. Da steckte etwas mehr drin, aber emotional wirkt „Flash of Genius“ besser, wurde bis zur Serienreife auf die internationalen Kinos feingetunt. Jetzt könnte man eine Geschichte über die Big Five, die großen Filmproduktionen erzählen. Doch vielleicht warten wir noch eine Weile und dann sind auch sie gar nicht mehr so „big“. Die unflexible Reaktion auf die digitale Revolution scheint das zu prophezeien.