10.6.09
Che - Revolucion
USA, Spanien 2008 (Che: Part One - The Argentine) Regie: Steven Soderbergh mit Benicio Del Toro, Franka Potente, Benjamin Bratt 126 Min.
Che ist eine Ikone, ein omnipräsentes Druckmotiv, dem der Mensch abhanden kam. Eine Annäherung an den erfolgreichen und tragischen argentinischen Freiheitskämpfer Ernesto "Che" Guevara (1928 - 1967) vollzieht der geniale Regisseur, Autor, Kameramann und Produzent Steven Soderbergh mit einer durchaus aufwändigen Art des Guerilla-Filmens, aber vor allem mit einer perfekten Beherrschung scheinbar jeder Facette des Filmemachens. Die Befreiung Kubas von dem Diktator und der us-amerikanischen Marionette Batista ist in „Che - Revolucion“ auch durchaus eine Befreiung vom Filmstil Hollywoods mit unpassender Action und falschem Heldentum.
Der Revolutionsführer Ernesto „Che“ Guevara befreite an der Seite von Fidel Castro Kuba, scheiterte aber bei dem Versuch, das Regime Boliviens zu stürzen. Genau diese beiden Epochen im Leben des argentinischen Arztes, Freiheitskämpfers, Politikers und Idols schildert Steven Soderbergh in dem zwei Teilen seines viereinhalbstündigen Epos „Che“, das man bei der Premiere in Cannes 2008 noch zusammen durchleben konnte - unterstützt von militärischer Marschverpflegung.
Nun war das Leben des Che ereignisreich genug, aber der unabhängige amerikanische Regisseur Soderbergh vermeidet schon in „Che - Revolucion“ jedes Klischee, zeigt vor allem im zweiten Teil „Che - Guerrilla“ den Guerilla-Kampf als harte Arbeit, als Dschungelcamp mit Schule, Arzt und strenger Disziplin. „Che - Revolucion“ beginnt 1956, als sich Che zusammen mit Fidel Castro und anderen kubanischen Exilanten per Schiff auf den Weg nach Kuba macht. Der Asthmatiker Che erweist sich als treuer Gefährte und kluger Stratege für den Zigarren paffenden Castro. Zwei Jahre dauert der Kampf bis Batista flieht. Die folgenden regierungsinternen Differenzen, die Che schließlich aus Kuba verschwinden lassen, deuten sich in Szenen an, die den Guerilla-Kämpfer als Regierungsmitglied in New York zeigen, wo er vor der UN sprechen wird.
In diesem packenden Kampf gegen den US-Imperialismus (auch der Bilder) wird gänzlich auf „Action“ verzichtet und trotzdem ist jede Minute hoch spannend. Benicio del Toro wandelt sich in jeder Faser zu Che und erhielt dafür schon Anfang des Jahres in Spanien einen Goya, den höchsten Filmpreis. Die Annäherung von del Toro, der in Walter Salles’ „Das Tagebuch des jungen Che“ noch dessen Freund spielte, ist so frappierend, dass man ihn sogar in historischen Fotos des echten Che zu erkennen glaubt. Was Franka Potente als Guerilla-Groupie und Matt Damon als Geheimdienstler in diesem spanisch-sprachigen Film zu suchen haben, muss in der Abteilung Insider-Scherze geklärt werden.
So wie man kaum glauben kann, dass Guevara mal Chef der Nationalbank und Industrieminister war, ist es mit Soderbergh schwer vereinbar, dass er die Hits „Oceans 11-13“ gedreht hat. Schließlich gewann der 1963 geborene Autorenfilmer schon 1989 mit dem typischen Programmkino-Erfolg „Sex, Lügen und Videos“ die Goldene Palme in Cannes. Und entschied sich in Zeiten ohne Kassenschlager wie „Erin Brockovich“ mit Julia Roberts oder „Out of Sight“ mit Jennifer Lopez, auf Guerilla-Art Filme zu machen, zum Beispiel den extrem schrägen „Schizopolis“, den wahrscheinlich noch weniger Leute gesehen haben, als Che bei seinem Bolivien-Desaster folgten. Diesen zweiten Teil „Che - Guerrilla“, in dem sich Soderbergh ganz auf die Vereinsamung Che konzentriert und der im radikalen Umsetzen fast „Che Guevara - das Bolivianische Tagebuch“ des Schweizer Filmemachers Richard Dindo ähnelt, hätte man vielleicht besser direkt im Anschluss als eine Vorführung durchlebt und nicht erst in über einem Monat, am 23. Juli. Doch scheinbar lässt das die Verwertungsmaschine Kino nicht zu. Hier scheitert dann schließlich sogar der Kino-Revolutionär Soderbergh.