1.10.08
Young@Heart
Großbritannien 2007 (Young@Heart) Regie: Stephen Walker, Sally George 107 Min. FSK ab 6
Irgendeine dieser Zitatfabriken - Godard oder Cocteau - sagte: Film sei, dem Tod bei der Arbeit zusehen. Selten war dies treffender und bewegender als bei diesem wunderbaren Dokumentar-Projekt, bei dem Leben und Tod die Hauptrollen spielen - ganz gegen alle Regieanweisungen.
Der amerikanische „Young at Heart“-Chor besteht aus mehr oder weniger rüstigen Senioren, die mit enormer Energie auf den ersten Blick unpassende Pop-, Punk- und Rock-Hits singen. Nach Erfolgen in den USA ging „Young at Heart“ weltweit auf Tournee. Oder wie es einer der Senioren-Stars unnachahmlich sagt: „Wir reisten von Kontinent zu Kontinent, da wurde ich inkontinent.“ Das Besondere an den Gesangstalenten ist der Mut mit dem sie immer wieder neuen Herausforderungen ihres Chorleiters begegnen. Denn sie singen Songs von Sonic Youth, Outcast, Clash, Beatles, lieben aber eigentlich Klassische Musik oder wenigstens alte Musicals. So erleben wir die Entwicklung eines neuen Arrangements zu „Schizophrenia“ von Sonic Youth oder zu „I feel good“ von Jackson Brown mit.
Die meisten Lieder bekommen in diesen Fassungen eine andere Bedeutung: „Should I stay or should I go?“ - Soll ich bleiben oder gehen ... diese Senioren wollen bleiben und das mit Nachdruck. Die „Golden Years“ von David Bowie werden eine Hymne an die Lebensfreude und die „Road to nowhere“ der Talking Heads gerät wieder zu einem dieser nett frechen Kommentare auf das eigene Alter. Denn anfangs geht es mit viel Humor, den die Senioren selber einbringen, auf Tour. Einer von ihnen darf Auto fahren, er war ja auch Jet-Pilot - im Zweiten Weltkrieg! In einem Videoclip beschweren sie sich mit viel schwarzem Humor über ihre Situation in Altenheimen: „Ich will ruhig gestellt werden!!!“
Sehr schön leuchtet die Doku immer wieder einzelne faszinierende Charaktere heraus. Da singt ein Radsportler und Multiplayer gleich in drei Chören. Auch wenn er dabei den Text von Jimi Hendrix’ „Purple Haze“ vergisst, man liebt ihn trotzdem. Doch im Verlauf des Films ändert sich die Stimmung: Das Team drehte Gespräche über den Tod, die nicht im Film auftauchen, denn irgendwann übernahmen Leben und Tod die Regie und sorgen für sehr Momente, die niemanden unerschüttert lassen. Innerhalb kurzer Zeit starben Bob Salvini, der mit Fred Knittle Coldplays „Fix you“ singen sollte, und Joe Benoit, der groß auf den Postern zur nächsten Tournee abgebildet war. Wie Fred Knittle dann das (Abschieds-) Lied bringt und wie sich der Chor nicht unterkriegen lässt, vollendet in sehr bewegenden Momenten diesen absoluten Publikumsliebling.