1.10.08

Lemon Tree *****


Israel, BRD, Frankreich 2008 (Lemon Tree) Regie: Eran Riklis mit Hiam Abbass, Rona Lipaz-Michael, Ali Suliman 106 Min. FSK: ab 6

Selten ließ sich ein Konflikt derart treffend symbolisch fassen, wie bei der Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel: Amos Gitai erzählt mit „News from House“, der Geschichte eines einzigen Hauses und seiner Bewohner von guten Zeiten, von Besetzung und Vertreibung. Der Italiener Saverio Costanzo lässt in „Private“ ein ganz normales Wohnhaus einer palästinensischen Familie von israelischen Soldaten besetzen und verordnet den Bewohnern Hausarrest. Als Quintessenz der beharrlichen Unvereinbarkeit bleibt nur die Tragödie einer Liebe dies- und jenseits einer absurden Grenze, die Elia Suleimans "Göttliche Intervention" zeigt. Und nun ein paar Zitronenbäume ...

Der neue Verteidigungsminister verspricht im Fernsehen klare Grenzen - und die Menschen in einem Dorf werden spüren müssen, was solche strammen Reden von nationalistischen Populisten für Folgen haben. Denn ausgerechnet dieser neue Angriff-ist-die-beste-Verteidigungs-Minister zieht das Haus neben der palästinensischen Witwe Salma Zidane. Wie eine Invasion vom Mars sind eines Morgens Soldaten, Bauarbeiter und Kräne im Limonen-Hain, der zum nationalen Sicherheitsrisiko erklärt wird. Am Zaun patrouillieren extrem nervöse Sicherheitsbeamten, die cool sein wollen, aber deren Anzüge kaum die Form waren können. Per Kriegsrecht enteignet man Salma quasi im Vorbeigehen.

Doch die Zitronenbäume sind ihr Lebensunterhalt und das Erbe des Vaters: „So was lässt sich mit keinem Geld der Welt bezahlen.“ Still, energisch und zielstrebig - so besteht Frau Zidane auf ihr Recht. (Der Fußballer gleichen Namens hängt sicherlich nicht zufällig als Poster im Zimmer des Rechtsanwaltes.) Die arabische Männerwelt, die spielend und schwätzend im Café sitzt, ist keine Hilfe. Man befiehlt ihr sogar, die angebotene Entschädigung der Israelis abzulehnen. Salmas Sohn hat die Wurzeln längst schon verloren und will die Mutter in die USA holen. Das erste Gerichtsurteil verbietet ihr das Betreten des Hains, ein weiterer Zaun trennt ihr Haus von den Bäumen, die langsam vertrocknen. Doch Salma kämpft weiter, bis zum obersten Gerichtshof.

Regisseur Eran Riklis findet schöne und ganz eigene Bilder für das Verwachsen sein mit dem Boden. So nimmt der Schatten eines Baumes das ganze Schlafzimmer von Salma ein. Und während die Staatsführung schamlos Einweihung feiert, heulen die Wölfe im Tal. Ein unheimliches Szenario im Westjordanland. „Lemon Tree“ ist ein ruhiger Film, trotzdem erschüttert der brutale und rücksichtslose Terror eines Staates, macht betroffen und wütend.

Nach dem exzellenten und bewegenden "Die syrische Braut" inszenierte Eran Riklis („Cup Final“) erneut mit seiner eindringlichen Hauptdarstellerin Hiam Abbas. Sie trägt den Film, der auch ein Film über die Einsamkeit ist. Die Einsamkeit von zwei Frauen auf zwei Seiten des Sicherheits-Zauns. Zwei Frauen, die seelenverwandt sind. Denn die Frau des Verteidigungsministers steht eigentlich auf der anderen Seite. Das israelische Ehepaar diskutiert mit den Argumenten der Weltpolitik: Dass Israel seit 3000 Jahren eine Heimat suche. Und dass Israel beständig die Realitäten ignoriert. Selbstverständlich ist der Zaun nur ein Muster für die große Mauer, die Israel gnadenlos durch palästinensische Gebiete zieht. Dagegen steht die Symbolik der Bäume: In Berichten von Palästinensern, die aus ihren Häusern vertrieben werden, wird immer wieder beklagt, dass die Soldaten die Olivenbäume, die seit Generationen gepflegt werden, fällen. Bei dieser bitteren Geschichte sind es die Zitronen, die mit der Freiheit und der Heimat geraubt werden. Im grausamen Schlussbild sieht man den siegreichen Verteidigungsminister, der sich erfolgreich ein(sam)gemauert hat.

Das unbedingt sehenswerte Drama wurde von der Kölner Heimatfilm koproduziert und von der Filmstiftung NRW gefördert.