21.10.08

Tage und Wolken


Italien/Schweiz, 2007 (Giorni E Nuvole) Regie: Silvio Soldini mit Margherita Buy, Antonio Albanese 115 Min.

Welch ein Themen-Timing! Für alle, die sorgenvoll an nun „arme“ Banker denken, die Wohnungen und Boote verkaufen müssen. Tatsächlich ist Armut eigentlich etwas anderes, doch wie Silvio Soldini („Brot und Tulpen“) das Schicksal gut situierter Bürger schildert, die plötzlich ihre Haushaltshilfe entlassen müssen, ist wenigstens gut und glaubwürdig gespielt.

Elsa (Margherita Buy) referiert schön und kultiviert ihre Thesen über ein Fresko in Genua, das sie in ihrer reichen Freizeit restauriert. Sie besteht „cum laude“, das Geschenk ihres Mannes Michele (Antonio Albanese) ist ebenso perfekt wie die Party zur bestandenen Prüfung. Mit dem Kater am Morgen danach kommt allerdings auch die Ernüchterung: Michele wurde vor zwei Monaten aus der Firma gemobbt, das Ehepaar ist überschuldet, kann sich seinen gehobenen Lebensstandard nicht mehr leisten. Es ist schon tragisch, wie er alles für sie gibt, wie er sie für ihr Examen schont und doch eigentlich auch die Probleme mit ihr hätte teilen sollen.

Angesichts der „neuen Armut“ gibt es ein paar laute Worte, ein paar Tränen. Und vor allem die Scham, die sie weiter groß Essen bezahlen lässt, obwohl im Portemonnaie längst nichts mehr ist. Elsa nimmt nun einen Job im Call-Center an, beide ziehen in eine Mietwohnung. Michele bemüht sich, doch kommt mit dem neuen Leben weniger gut zurecht. Doch irgendwie ist des Zuschauers Mitleid beschränkt, wenn Elsa und Michele vom eigenen Palästchen in eine laute Mitwohnung umziehen müssen.

Die Handkamera, die den „entsetzten“ Menschen ganz eng auf die Haut rückt, hat dieses Sozial-Drama von den Brüdern Dardenne geerbt. Doch im Arbeiterviertel von Lüttich war es wirklich ein Drama, hier ist es eher eine Unpässlichkeit im Verlauf des Lebens. Der brutale soziale Abstieg hat auch seine leuchtenden Momente, wie auch Soldinis „Brot und Tulpen“ seine Momente hatte, etwa wenn zwei ehemalige Angestellte Micheles aus Dankbarkeit treu und hilfsbereit sind. Und dann ist nett, wenn der „Dottore“ Michele Olivero wegen seiner Renovierungs-Künste im Wohnblock mehr und mehr Aufträge bekommt. Solidarität, denkt man, ein schönes Wort. (Und es bedeutet nicht, Banken, die normalerweise Milliarden verdienen und Tausende entlassen, noch mehr Milliarden hinterher zu schmeißen.)

Doch innen drin, das wohl Wahrhaftigste dieses Films, eine Liebesgeschichte mit zwei Menschen, die einander vertrauen, die offen zueinander stehen. Und so kann man romantisch die ganzen Realitäten nur als Rahmen für diese Prüfung einer Liebe unter kunstvollem Sternenhimmel sehen.