23.10.08

LUX Filmpreis für "Lornas Schweigen"

Kino als Treibstoff für ein neues Europa

Straßburg. In einer feierlichen Zeremonie überreichte am Mittwoch Parlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering im Europäischen Parlament von Straßburg dem Lütticher Film „Lornas Schweigen“ der mit 87.000 Euro dotierte „Lux Filmpreis“ verliehen. Die siegreichen Regisseure, die aus Lüttich stammenden Brüder Dardenne, erhielten erst vor zehn Tagen den Filmpreis Köln.

Wie beim Oscar blieb der Sieger geheim, bis der versiegelte Umschlag geöffnet wurde. Später gab es Standing Ovations der Politiker und die Europa-Hymne. Pöttering überreichte den Preis, der aussieht wie der Turm von Babel, allerdings aus Film gebaut ist und recht stabil wirkt. Wichtiger als die Trophäe ist jedoch die Untertitelung in alle 23 Amtsprachen Europas, die das Parlament finanziert, damit das Werk überall gesehen werden kann. Das schließt zum Beispiel auch Gälisch für einige Regionen in Irland ein, sowie auf Initiative Pötterings auch in einer Version für Hör- und Sehgeschädigte.

Luc Dardenne meinte in seiner kämpferischen Dankesrede, das europäische Kino habe große Probleme gegenüber „dem Giganten“. Und zudem hätten die Europäer Probleme untereinander, man sehe nicht die Filme anderer Länder. Er hofft, „dass alle Verleiher Europas und die Kinobesitzer die Nachricht dieses Preises verstehen werden.“ Seit seiner Premiere in Cannes erlebt der Film über die junge Albanerin Lorna eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte.

Der Hintergrund vom „Lux Filmpreis“ steht in dicken Lettern auf vielen Publikationen: „Das europäische Parlament engagiert sich für Kultur.“ Bertrand Peltier, treibende Kraft hinter dem „Lux Filmpreis“, meint dazu: „Kultur kann den Europäer in uns wecken.“ Vor allem das Parlament (das sich während der Verleihung gerade wieder zu seiner turnusmäßigen Ausflugswoche in Straßburg einfand) werde von der Bevölkerung als fremd und kalt empfunden. Man müsse sich ein Beispiel an Hollywood nehmen, das uns während der letzten 100 Jahre erklärt hat, dass „ein Cowboy jemand Sympathisches ist“. Europa hingegen habe nie eine kulturell so populäre Schiene gefunden. Und das liegt auch am Sprachproblem. So geht es beim „Lux Filmpreis“ nicht nur um die Wahl eines Films, der europäische Werte herausleuchtet.

Mit diesem noch jungen Filmpreis will das Europäische Parlament auch Verschiedenheit fördern. Sehr passend dazu waren alle drei Kandidaten der Endrunde: „Lornas Schweigen“ mit einer Albanerin, die sich in Belgien mörderische Geschäfte um Scheinehen verwickeln lässt. Das ungarische „Delta“, eine betörend schön stilisierte und stille Geschichte um Geschwisterliebe. Und dann  „Obcan Havel“, die Dokumentation, die den tschechischen Präsidenten Havel über seine ganze Amtszeit begleitet.

Teuerste Jury der Welt
Das Wahlverfahren ist einzigartig und hat vielleicht nicht die größte, aber sicher die best bezahlte Jury der Welt: Zuerst wählt ein Panel aus 17 Experten für verschiedene Regionen einen Pool von Kandidaten aus den mehr als 800 Filmen, die jedes Jahr in Europa produziert werden. Unter den Filmkennern war auch der Sieger des letzten Jahres, Klaus Maeck, der Produzent von Fatih Akins „Auf der anderen Seite“. Letztlich bleiben drei Filme übrig, über die dann die 785 Parlamentarier abstimmen konnten. In Europäischen Parlament von Brüssel wurden die drei Nominierten gezeigt, dort gibt es mitten im Parlament einen großen Filmsaal. Insgesamt haben Tausende die Filme gesehen, der Saal war oft zu klein. 131 Abgeordnete aus 23 Ländern haben mitgemacht, ein politisch und geografisch breit gestreutes Panel, in dem die Sozialisten sich am meisten Filme angesehen haben.

Wobei mit „Lornas Schweigen“ der Film unterstützt wird, der dies am wenigsten braucht. Als Cannes-Preisträger wurde er bereits gut in andere europäische Länder verkauft. Deshalb liegen auch schon viele Kopien mit Untertiteln vor. Im ähnlich gelagerten Fall des Vorjahres-Siegers „Auf der anderen Seite“ wurde das eingesparte Preisgeld für eine Förderung des DVD-Einsatzes verwandt.