25.9.07

Auf der anderen Seite


BRD 2007 (Auf der anderen Seite) Fatih Akin mit Baki Davrak, Nursel Köse, Hanna Schygulla, Tuncel Kurtiz, Nurgül Ye
şilçay 122 Min.
 
Und ins Oscar-Rennen geht: Fatih Akin mit dem deutschen Starter "Auf der anderen Seite" sowie dem brisanten türkischen Film "Takva". Diese Doppel-Nominierung ist bezeichnend für einen der besten, talentiertesten und auch noch sympathischsten Regisseure der letzten Jahre, für einen Autor, Schauspieler und Produzenten, der fern von irgendeiner Betroffenheitsmasche unglaublich starke Filme macht, in denen vor Leben strotzende Figuren immer mit Grenzen zwischen den Kulturen zu tun haben. Manchmal rennen sie sich "Gegen die Wand" die Köpfe ein. Mal geht es spielerisch von der europäischen Seite des Bosporus auf die asiatische, wenn türkische Musiker in "Crossing the Bridge: The Sound of Istanbul" porträtiert werden. Mal prallen drei hitzige Köpfe aus Serbien, Griechenland und der Türkei im Krimi "Kurz und schmerzlos" aufeinander. Dann folgt Moritz Bleibtreu "Im Juli" der Sonne in den Orient, oder das ganz große Gefühlskino "Solino" verbindet den Ruhrpott mit Sehnsucht nach Apulien. Schon im Kurzfilm "Getürkt" zeigte der Hamburger, dass er auf die Klischees gesellschaftlicher Gruppen nicht reinfällt.
 
Und nun "Auf der anderen Seite". Was für ein Film! Einfühlsam beobachtet, nein: ganz vorsichtig eingelebt, lässt der Film die Lebenswege von Eltern und erwachsenen Kindern für einige dramatische Momente zusammenkommen. Wer "Gegen die Wand" liebte, sollte unbedingt auch Akins Erzählvermögen "Auf der anderen Seite" entdecken. Wer die extrem energische Begegnung zweier exzentrischer Gestalten nicht ertrug, sollte trotzdem den neuen, viel ruhigeren, aber auch auf diese Art intensiven Akin erleben.
 
Der gut gelaunte Senior Ali verliert sein Herz im Puff an die türkische Prostituierte Yeter, bietet ihr äußerst galant ein Beziehungs-Geschäft an, das die ältere Frau nicht ausschlagen kann, hat sie doch ihre studierende Tochter Ayten in der Türkei durchzufüttern. So zieht Yeter beim Witwer ein. Aber nicht die bald drohenden islamischen Sittenwächter, diese scheinheiligen Machos, werden Yeter umbringen, es ist überraschend Ali selbst, der ihr eifersüchtig einen tödlichen Stoß versetzt. Denn Yeter zeigte Gefühle für Alis Sohn, den Hamburger Germanistik-Professor Nejat. Der verzweifelte junge Mann wendet sich von seinem verhafteten Vater ab, reist in die Türkei, um Ayten zu finden.
 
Währendessen floh diese vor Folter und politischer Verfolgung nach Deutschland, entweicht auch der strengen Macho-Hierarchie ihrer Organisation und verliebt sich in die deutsche Studentin Lotte. Dieser Leidenschaft in der Illegalität ist keine Dauer vergönnt, die Polizei greift Ayten auf und schiebt sie nach einem teuren Prozess ab. Die dramatischen Ereignisse verlagern sich nach Istanbul, wo es noch einen Todesfall gibt und sich die Trauernden in tief mitfühlender Anteilnahme finden werden.
 
Die Größe dieses stillen Meisterwerks zeigt sich in der Vielfalt seiner gelungenen Aspekte: Eine faszinierend dichte Geschichte, für die Fatih Akin 2007 den Drehbuchpreis in Cannes erhielt. Die unmittelbare Nähe zu Leben und Politik in der Türkei sowie in Deutschland. Die einfühlsame, fast poetische Darstellung von Verlust und Trauer. Bilder, die sich viel sagend einbrennen. Grandiose Darsteller wie Hanna Schygulla. Und alles fügt sich letztendlich harmonisch in Tragik und Trost. Inshallah!