9.9.07

Venedig 2007 Preise

Vorsichtiger Preis

Venedig. Zum zweiten Male nach 2005 erhielt der Taiwanese Ang Lee am Samstagabend den Goldenen Löwen, den Hauptpreis der Filmfestspiele von Venedig (29.8.-8.9.). Nach "Brokeback Mountain" kehrte der ebenso meisterliche wie vielseitige Regisseur mit "Se, Jie (Lust, Caution)" (Leidenschaft, Vorsicht) in heimatliche Gefilde zurück: Die tragische Geschichte einer chinesischen Widerstandskämpferin unter japanischer Okkupation bot edles Historienkino mit gefährlichen Leidenschaften.
 
Vorsicht: Lust! könnte auch der Titel des Siegerfilms lauten, der auf einer Kurzgeschichte der populären chinesischen Autorin Eileen Chang basiert. Die junge Agentin Wong Chai Chi gerät 1942 während der japanischen Besetzung großer Teile Chinas an eine Laien-Theater- und Laien-Widerstandstruppe. Sie verliebt sich direkt in deren Anführer, muss aber mit einem gefährlichen Kollaborateur ein Verhältnis eingehen, damit man diesen ermorden kann. Während die Liebe unausgesprochen bleibt, bricht in expliziten Bildern die sexuelle Leidenschaft zwischen Agentin und Feind aus. Mit tragischen Folgen. Auch der Preis für die Beste Kamera ging an dieses Drama und seinen Kameramann Rodrigo Prieto.
 
Dass im dritten Jahr ein Film mit deutlicher asiatischer Beteiligung in Venedig gewinnt, gibt nicht nur die Innovationskraft dieser Weltregion wieder. Der italienische Festivaldirektor und Weltbürger Marco Müller, in mehreren asiatischen Sprachen zuhause, ist an der starken Präsenz Asiens in Venedig sicherlich nicht unbeteiligt.
 
Ein in China spielender Widerstandsfilm lässt selbstverständlich auch immer Kritik am heutigen System vermuten. So ein Subtext war aber bei Ang Lee für Außenstehende nicht zu erkennen. Allein im Vorfeld gab es hinter den Kulissen Rangeleien, ob der Film unter dem Produktionsland Taiwan oder China laufen sollte. Eine Kleinigkeit, wenn ansonsten schon mal gerne chinesische Filme ganz von Festivals abgezogen werden.
 
Die Jury der "64. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica" unter der Leitung des Chinesen Zhang Yimou wählte aus den 23 Wettbewerbsfilmen beim Hauptpreis ein allgemein positiv aufgenommenes Werk, das allerdings eine Weile braucht, bis sich sein Drama mit erschütternder Kraft entfaltet. Erst beim Silbernen Löwen entschied sich Zhang mit seinen Jury-Kollegen den Regisseuren Catherine Breillat, Jane Campion, Emanuele Crialese, Alejandro González Iñárritu, Ferzan Ozpetek und Paul Verhoeven, für ein brisantes Thema: "Redacted" von Brian De Palma gibt sich als Dokumentation aus und zeigt Gräueltaten amerikanischer Soldaten im Irak.
 
Als Bester Darsteller wurde Brad Pitt in der Western-Rolle des legendären, zwischen Manie und Depression schwankenden Killers Jesse James im Film "The Assassination Of Jesse James By The Coward Robert Ford" ausgezeichnet. Cate Blanchett erhielt wie erwartet den Preis für die Beste Schauspielerin für ihre Interpretation von Bob Dylan in der avancierten und offenen Biografie "I'm Not There" von Todd Haynes. Im Vorfeld wurde scherzhaft getippt, Blanchett könnte eigentlich beide Darstellerpreise, den männlichen und den weiblichen, so gut sei ihre Interpretation des mit Drogen und engstirnigen Journalisten kämpfenden Dylan.
 
Einen "Spezial-Löwen" gab es für das Gesamtwerk von Nikita Mikhalkov, der auch in seinem neuen Film "12" mit "großer Humanität und viel Gefühl die Komplexität der Existenz" erforscht, meinte die Jury. Tatsächlich zeigte Mikhalkovs Sitzung von 12 Geschworenen in einer heruntergekommenen Turnhalle mit vielen individuellen Schlaglichtern auf die Schicksale aller Beteiligten ein bewegendes Bild vom Zustand der russischen Gesellschaft, wobei die Menschen immer im Mittelpunkt stehen.
 
"It's a Free World", der neue, wieder von der Filmstiftung NRW geförderte Film von Ken Loach, erhielt den Preis für das Beste Drehbuch. Die Osella, die Goldmedaille der Filmfestspiele von Venedig, nahm Autor Paul Laverty entgegen. Das erschütternde Drama um eine zunehmend skrupellosere Arbeitsvermittlerin in London wurde auch mit dem EIUC Human Rights Film Award ausgezeichnet und erhielt eine besondere Erwähnung der Signis Awards, der World Catholic Association for Communication.