18.9.07
Tuyas Hochzeit
China 2006 (Tuya de hun shi) Regie: Quanan Wang, Drehbuch: Wei Lu, Quanan Wang mit Nan Yu, Bater, Sen'ge, Zhaya, Baolier 96 Min.
In der Folge von "Urga" oder "Die Geschichte vom weinenden Kamel" gerät das traditionelle Leben der mongolischen Hirten auch in "Tuyas Hochzeit" unter die Räder der Veränderungen in Wirtschaft und Natur. Tuya (Yu Nan) hütet in der weitläufigen Steppe der Inneren Mongolei Schafe, sie versorgt den Mann Baolier (Peng Hongxian) und zwei Kinder. Baolier verletzte sich bei Bau eines neuen Brunnen, kann sich nur noch mühsam an Krücken fortbewegen. Tuya muss nun täglich weite Wege für das Wasser reiten und selbst die ferne Quelle versiegt. Dann gilt es, die Schafherden zu den letzten Grasbüscheln zu treiben, die Milch zu verarbeiten und an der fernen Straße zu verkaufen, das Essen für die Familie zu kommen und sich ums Baby zu kümmern. Da Tuya das alles nicht mehr schafft, muss ein neuer Mann her. Der gutherzige Baolier stimmt in die Scheidung ein. Aber der Neue soll auch ihn im Haushalt belassen und nicht in ein Heim abschieben, das ist Tuyas Bedingung.
Das Schaulaufen der neuen Bewerber steht für die feine Balance von Humor und Tragik. Es deutet den Männerüberschuss im heutigen China an, das Ein-Kind-Politik vorschreibt und die Ermordung der Mädchen nicht verhindert. Bei einem Tee-Zeremoniell schaut man sich die Braut an, kein Gedanke, dass diese Frau auch stur, eigensinnig oder gar wählerisch sein könnte. Doch die Herren der Schöpfung sind zu absurd, als dass sie ernst genommen werden können. Sei es der junge Schnösel, der den Haushalt als weiteres Kind wohl nur belasten würde. Oder der alte, geile Sack, sicher auch nur ein Pflegefall. Von den vielen, meist alten Bewerbern stimmt außerdem keiner der Bedingung zu, Baolier aufzunehmen. Nur der unglückliche Nachbar Shenge, selbst von seiner Frau verlassen, bleibt. Er steht mal hilfreich zur Seite, mal muss er besoffen in der Steppe aufgelesen werden. Und dann kommt nicht ganz zufällig ein alter Verehrer vorbei, der mittlerweile in der Stadt zu großem Reichtum gekommen ist. Er will einen Pflegeplatz für den alten Mann kaufen. Doch dessen Pferd kann nicht mit ins Heim. Das ist schlimmer als der Tod für einen Mongolen, der nur davon träumt, wieder über die Steppen zu jagen.
Eine schöne, anrührende Geschichte, die Einblick in den Wandel einer naturverbundenen, aussterbenden Lebensweise gewährt, Sympathien für die Figuren gewinnt und gut unterhält. So ein reizvoller Film mitten aus dem Mainstream internationaler Wohlfühlproduktionen kommt international im Arthaus-Kino an. Das weiß man, weil es nicht der erste Film dieser Art, vor diesem Hintergrund ist. So erhielt "Tuyas Hochzeit" im Februar bei der Berlinale einen Goldenen Bär, der die Artenvielfalt der Mongolei bereichern wird.