Großbritannien, USA 2022 (Men) Regie: Alex Garland, mit Jessie Buckley, Rory Kinnear, Paapa Essiedu, 100 Min., FSK: ab 16
Alex Garland ist Regisseur so interessanter und visionärer Filme wie „Ex Machina" (2015) und „Auslöschung" (2018) sowie Autor von „The Beach" (2000) und „28 Days Later" (2002). Sein Meisterwerk „Men" ist nun raffinierter Horror und genialer Filmessay über die Unterdrückung der Frau durch ein vielköpfiges Monster namens „Men" – Männer. Eine in jeder Faser, in jedem Bild packende Kino-Sensation.
Es sollte Erholung auf dem Lande für Harper (Jessie Buckley) werden, die Befreiung von einem traumatischen Ereignis, dem Selbstmord ihres Mannes (Paapa Essiedu), von dem sie sich gerade trennen wollte. In betörend schönen Bildern stürzt er vorm Fenster in die Tiefe. Ihre Blicke treffen sich für Sekunden, danach findet sie ihn in bizarrer Haltung, teilweise aufgespießt auf der Straße. Ein schauriges Kunstwerk.
Das abgelegene Cottage in einem winzigen Dorf sollte Harper Ruhe bringen. Der Vermieter (Rory Kinnear) ist jedoch schon ein sonderlicher Kauz mit übergriffigen Scherzen. Besonders der Hinweis auf die verbotene Frucht, die Harper direkt vom Apfelbaum geklaut hat, lässt sich in seiner beklemmenden Drohung nicht weglachen. Ein Spaziergang in extrem grüner Landschaft lässt die junge Witwe wieder lachen, fast wirkt es, als könne sie hier ihre Trauer überwinden. Bis ein sehr langer dunkler Tunnel auf ihrem Weg liegt und der Film die Klaviatur des Horrors sanft antippt. Harper spielt mit dem Echo, verläuft sich dann aber und wirkt gefangen in der Landschaft. Dann steht ein nackter Mann mit blutigen Narben (Rory Kinnear) auf der Wiese. Es ist noch witzig, wie er die ganze Zeit in die Fenster lugt, während sie nichtsahnend per Video eine Wohnungsführung für ihre Freundin macht. Die erste Attacke des Eindringlings kann Harper abwehren, der Mann wird verhaftet. Doch dann verhalten sich auch Polizist und Priester grenzüberschreitend, der Geistliche gibt ihr sogar die Schuld an der Gewalt ihres Ex-Mannes.
Männer sind alle gleich – in „Men" sind sie es tatsächlich, alle Männerrollen auf dem Land werden gespielt von Rory Kinnear. Im Pub ist Harper geradezu umzingelt von ihnen. Das ist nicht nur exzellent gespielt, auch tricktechnisch absolut ernsthaft realisiert. Wobei bei dem wunderbar sensiblen Spiel von Jessie Buckley (Oscar-nominiert für „Frau im Dunkeln") mit ihren sehr ausdrucksstarken Mundwinkeln die Inszenierung doch die Hauptrolle hat: „Men" zeigt reizvolle Traumsequenzen und heftige Horror-Schlitzereien, aber niemals simplen Horror. Die Bedrohung verläuft lange ohne direkte Gewalt. Es ist kein Kinder- oder Teenager-Spiel, hier geht das Grauen tiefer, hält länger an und gräbt sich auch in die Filmgeschichte ein.
Einen großen Anteil hat daran auch die Kamera von Rob Hardy („Mission: Impossible – Fallout"): Das Blutrot der Selbstmord-Szene korrespondiert mit einem Raum im Cottage und dem absurden Finale voller Transformationen und Neugeburten der bedrohlichen Männlichkeit. Dicht verwoben wie der ganze Film. „Men" könnte Lars von Trier-Stoff sein, dem in Verwechslung von Werk und Aussage sicher auch Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wird. Dabei führt Garlands Meisterwerk doch nur auf genial kunstvolle Weise die mehr psychische als physische Übergriffigkeit von Männern vor. Mit einer keineswegs wehrlosen Frau.