USA 2021, Regie: Scott Cooper, mit Keri Russell, Jesse Plemons, Jeremy T. Thomas, Graham Greene, 100 Min., FSK: ab 16
Als die kriminellen Weaver-Brüder beim Meth-„Brauen" im Schacht einer ehemaligen Bergbaustadt unheimliche Geräusche hören, ist mal nicht der übliche Indianer-Friedhof Grund für das bald folgende Horrorhaus. Doch die Mythen der „Native Americans" werden zusammen mit deren „Hollywood-Häuptling" Graham Greene aufklären, was den Vater von Lucas Weaver (Jeremy T. Thomas) zum Monster macht. Der schwächliche, in der Schule brutal gehänselte Junge fällt der Lehrerin Julia Meadows (Keri Russel) wegen seiner schreckensreichen Zeichnungen auf. Während sie mit quälenden Familien-Erinnerungen und Alkoholismus kämpft, verfolgt ihr Bruder, der örtliche Sheriff (Jesse Plemons), eine Mord-Serie mit unerklärlich brutal zugerichteten Leichen.
Bei Guillermo del Toro, dem Fantasy Film-Produzent und -Regisseur, ist hochspannender und fein ausgeführter Horror (ohne platte Schreck-Effekte) immer mit politischen und soziologischen Hintergründen verbunden. Seine fantastischen Horror-Regiearbeiten „Pans Labyrinth" (2006) und „The Devil's Backbone" (2001) drehten sich um den wahren Schrecken des Spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur. Nun ist in „Antlers" überdeutlich angedeutet, dass Julia und Paul Meadows, den Missbrauch, den sie als Kinder erlebten, in den Monstrositäten auf dem Dachboden von Lucas' Familie wiedererkennen.
Basierend auf der Kurzgeschichte „The Quiet Boy" von Nick Antosca inszeniert der exzellente Regisseur Scott Cooper („Feinde – Hostiles" 2017, „Black Mass" 2015, „Auge um Auge" 2013, „Crazy Heart" 2009) wieder mit einem Schwerpunkt auf feine Charakterzeichnung und gutem Schauspiel. Vor allem Jesse Plemons fasziniert als stiller Polizist nach seiner Cowboy-Rolle im Golden Globe-Sieger "The Power of the Dog" erneut. Cooper meistert wieder ein anderes Genre.
Was „Antlers", das auf Deutsch Geweih bedeutet und sich im Finale eindrucksvoll erklärt, im alltäglichen Horror-Einerlei so besonders macht, ist gerade das Alltägliche, das Gewöhnliche des Schreckens. Wie schon die frühen Regie-Arbeiten von Del Toro den spanischen Faschismus mit den Mitteln des Fantastischen nachhaltig verständlich und spürbar machten, so ist nun die Vergewaltigung von Kindern („Missbrauch") in der Gestalt des Horrorfilms besonders eindringlich und gleichzeitig überhaupt darstellbar. Die ganze Geschichte hebt sich vom eindimensionalen Fließband-Horror – siehe Indianerfriedhof mit Verfluchtem Haus – durch komplexe Vernetzung ab: Der allgemeine Niedergang einer ehemaligen Bergbaustadt in Oregon, in Folge Drogen-Konsum und Produktion, das Bullying in der Schule, die Ausbrüche von Gewalt – alle das ergänzt sich in einem schlüssigen und packenden Schrecken.