12.12.21

The Hand of God / Netflix


Italien 2021 (È stata la mano di Dio) Regie: Paolo Sorrentino, mit Filippo Scotti, Toni Servillo, Teresa Saponangelo, 129 Min., FSK: ab 12

„Die Hand Gottes" ist Fußball-Interessierten wohlbekannt: Es war die Hand des Argentiniers Maradona, die während der Fußball-Weltmeisterschaft 1986 gegen England ein irreguläres Tor erzielte. Dies war nicht nur Rache für den „imperialen Akt" der Großmacht im mörderischen Falklandkrieg, wie in Paolo Sorrentinos Netflix-Film ein älterer Onkel erzählt. Es war auch diese „Hand Gottes", die das Schicksal von Sorrentinos jungem Alter Ego Fabietto (Filippo Scotti) bestimmte: Ein Ticket für das Spiel vom SSC Neapel, der Maradona mit Mafia-Millionen eingekauft hatte, verhindert, dass der Teenager zusammen mit seinen Eltern verunglückt. Ein Wendepunkt in der freien und anekdotischen Autobiografie des berühmten Regisseurs Paolo Sorrentino („Il Divo – Der Göttliche", „La Grande Bellezza – Die große Schönheit", „The Young Pope – Der junge Papst"). 

Es ist die Periode zwischen den frühen Gerüchten von Maradonas Ankunft in Neapel 1984 bis zur ersten Meisterschaft des bisherigen Abstiegskandidaten SSC Neapel 1987. Mit Walkman und VHS-Recorder erlebt Fabietto Schisa seine Initiation als Filmemacher und Mann. Wie so oft bei diesen autobiografischen Jugend-Erinnerungen, von Federico Fellinis „Amarcord" über Guiseppe Tornatores „Cinema Paradiso" bis zu Pedro Almodovars „Leid und Herrlichkeit", ergibt sich eine verklärte Folge von Szenerien. Sorrentino folgt vor allem anfangs in grellen, verzerrten Gesichtern eines Familienfestes stilistisch seinem Idol Fellini. Derbe Scherze über den neuen Verehrer einer der vielen übergewichtigen Tanten, eine Dialog-Flut mit neapolitanischem Wortwitz, die selbst für Italiener Untertitel wünschenswert macht. Eine Verwandte im Nerz, deren verschlingendes Gesicht quasi im Mozzarella versinkt, und ein Badeausflug, der von der wahnsinnig lüsternen Tante mit ihrem Nacktbaden dominiert wird. 

Das ist ein Panoptikum aus Menschen und Leben in Neapel, vor allem eine Liebeserklärung an Fabiettos Vater Saverio Schisa (Toni Servillo), der immer wieder mit leisem Witz dem Sohn seine Sicht der Welt zuflüstert. Sowie der ebenso liebevollen Mutter Maria (Teresa Saponangelo) mit ihren grandios gemeinen Scherzen und der schreienden Eifersucht. Diese persönlichen Einblicke gehen Hand in Hand mit Klischees derartiger Jugend- und Jungen-Erinnerungen: Die freizügige Tante wirkt zeitweise ähnlich abgeschmackt wie wehmütige Gedanken an den ersten „Besuch" bei einer Prostituierten. Der geistig Behinderte des Viertels darf ebenso wenig fehlen, wie der plötzliche Tod eines geliebten Verwandten.

Der gefeierte Paolo Sorrentino hat immer eher beschaulich als mitreißend inszeniert. So wirkt in „The Hand of God" die Entwicklung seiner Jugend-Figur bruchstückhaft. Fabietto geht nur einmal ins Kino, die VHS von Sergio Leones „Es war einmal in Amerika" bleibt als Running Gag immer ungesehen auf dem Rekorder liegen. Erst in der letzten Szene, nachdem eine beiläufige Schwärmerei für eine junge Schauspielerin unerfüllt bleibt, ergeben sich im Gespräch mit einem älteren Regisseur Schlüsselsätze: „Die Realität gefällt mir nicht mehr, die Realität ist öde." Das wurde schon überdeutlich, wenn Fabietto beim wilden Fußballspiel auf dem Pausenhof immer nur unbeteiligt mitten drin steht. Die Aufforderung „Hast du etwas zu sagen? Dann raus damit!" führt zum Aufbruch des zukünftigen Regisseurs nach Rom.

Paolo Sorrentinos bislang persönlichster, aber auch gewöhnlichster Film beweist in immer wieder netten Aufnahmen von Küste und Meer die Meisterschaft seines Machers. Seltsamerweise verzichtet er bis auf einige groteske, fellineske Momente auf seinen typischen „Bunga-Bunga -Stil" grell überzeichneter Partys. So gelingen ausgerechnet bei der Liebeserklärung zur lauten neapolitanischen Herkunft vor allem die stillen Momente und Blicke. 

„The Hand of God" lief in ausgewählten Kinos seit dem 2. Dezember und auf Netflix ab dem 15. Dezember 9 Uhr.