USA 2021, Regie: Adam McKay, mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Cate Blanchett, Meryl Streep, Jonah Hill, Timothée Chalamet, 145 Min., FSK: keine Angabe
Stell dir vor, ein Komet rast auf die Erde zu und niemand schaut hin! Das passiert den eigenwilligen Astronomen Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und Professor Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio). In sechs Monaten wird ein Planeten-Killer in der Größe des Mount Everests einschlagen und alles menschliche Leben vernichten. Aber Präsidentin Orlean (Meryl Streep) muss erst mal den Geburtstag der Sekretärin feiern und Parteipolitik regeln, bevor sie sich um den Untergang der Welt kümmert. Absurd auch, wie die hastig im riesigen Militärtransporter eingeflogenen Wissenschaftler im Vorzimmer warten und sich mit Snacks versorgen. Für die ein General übrigens abkassiert, obwohl sie im Weißen Haus gratis rumliegen, wie sich später herausstellt.
„Don't look up" ist anderes, als wenn Bruce Willis direkt zum Präsidenten durchmarschiert. Auch als Kate und Randall nach einem völlig absurden Treffen mit der Präsidentin und ihrem noch bescheuerteren Sohn und Stabschef Jason (Jonah Hill) zur Presse gehen, interessiert sich die nur für Klick-Zahlen in sozialen Medien.
Nach Medientraining des Verlages wird der nerdige Randall, der im normalen Leben schon immer Beruhigungsmittel braucht, zum öffentlichen Star. Kate rastet auf Sendung aus und gerät in die vernichtenden Mühlen von Instagram und Co. Denn die TV-Show (mit Cate Blanchett und Tyler Perry) will immer alles nett und freundlich präsentieren.
Ja, „Don't look up" ist kein üblicher Katastrophenfilm. Nur eine bittere Komödie über die katastrophale Situation unserer Gesellschaften. Kate und Randall müssen sich nicht gegen Agenten verteidigen, die sie zum Schweigen bringen wollen. Ihr „Thema" fällt bei den Medien einfach durch. Die kümmern sich mehr um ihre Formate und um formvollendetes Verhalten also um Inhalte.
Das erinnert nicht nur ein wenig an das Verhalten von Politik und Öffentlichkeit während der Corona-Pandemie. Die wahnsinnige Ignoranz gegenüber Wissenschaft und gesunden Menschenverstand gipfelt im Slogan der Trump-Kopie Präsidentin Orlean „Don't look up" – schau nicht nach oben. Denn da steht schon der Komet unübersehbar am Himmel.
„Don't look up" wird von Netflix verständlicherweise vor dem Streaming-Start in den Kinos gezeigt, um die Oscar-Chancen dieser genialen und emotionalen Satire nicht zu verspielen. Autor und Regisseur Adam McKay drehte zuerst furchtbar alberne und schräge Komödien wie „Ricky Bobby - König der Rennfahrer" (2006), wobei „Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy" (2004) teilweise schon Mediensatire war. Und dann der finanz-politische „The Big Short" (2015) über den Börsen-Crash und „Vice - Der zweite Mann" (2018), das geniale Filmporträt des US-Politikers Dick Cheney. Jetzt bringt McKay in seiner sensationellen Schwarzen Komödie Engagement und Humor im großen Stil zusammen.
Die Besetzung ist bis in die Nebenrollen von Timothée Chalamet oder Ariana Grande eindrucksvoll. Doch der ganze Film ist noch viel besser und trifft die Situation unserer Zeit ins Mark: Wo die kulminierte Blödheit der sozialen Medien bestimmend ist und wissenschaftliche Regeln von Medien-Tycoons ( Mark Rylance als Steve Jobs-Kopie) mit ihren Algorithmen außer Kraft gesetzt werden, braucht es einen Kometen der Größe des Mount Everest, um den Leuten klar zu machen, dass es ernste Probleme gibt. Dabei bleibt sich Adam McKay treu und platziert selbst wenn endlich Panik und Katastrophe - erschütternd und großartig inszeniert - eintreffen, noch einen blöden Scherz mit Jonah Hill („American Pie").
„Don't look up" läuft kurz in ausgewählten Kinos und ab dem 24. Dezember weltweit auf Netflix.