Dänemark, BRD, Schweden 2013 (Kvinden i buret) Regie: Mikkel Nørgaard mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Sonja Richter
97 Min.
Erbarmen, noch ein Skandi-Krimi! Könnte man ausrufen, doch auch dieser Auftakt einer Thriller-Reihe nach bekannten Roman-Bestsellern im Kielwasser von „Verblendung" überzeugt in jeder Hinsicht: Kommissar Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) dreht bei einer Observierung durch und die Polizisten laufen in eine Falle. Danach liegt ein Kollege tot in seinem Blut, ein weiterer als Pflegefall im Krankenhaus und Carl selbst wird in den Keller abgeschoben, in die neu gegründete Kopenhagener Sonderabteilung Q. Er soll (auf) keinen Fall mehr selbst ermitteln, nur die ungelösten Angelegenheiten von rechts nach links sortieren.
Doch schnell fixiert Carl sich zusammen mit seinem neuen Assistenten Assad (Fares Fares) aus Schweden auf das Verschwinden von Merete Lynggaard (Sonja Richter). Die bekannte Politikerin reiste vor Jahren mit ihrem geistig behinderten Bruder auf einer Passagierfähre und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Der einzige Zeuge, ihr Bruder, ist noch verstörter als zuvor und redet mit niemandem. Selbstmord sagen die Akten, doch Carl und Assad finden Hinweise, die sie an dieser Version zweifeln lassen.
Das beschert uns eine Reihe von Rückblenden: Was passierte auf der Fähre, was vorher und was musste die Politikerin danach erleiden. Denn „Erbarmen" hat derart viele Spannungsmomente, dass man eines verraten kann: Merete Lynggaard lebt noch. Nur wie lange noch, das ist fraglich und nervenzerreißend.
Carl und Assad wühlen nicht nur in den Akten rum und suchen Tatorte auf, sie laufen sogar durch die Szenen der Rückblenden, ähnlich wie Detective Carrie Wells in der US-Serie „Unforgettable". Eine reizvoller Twist im dunklen, zu Grausamkeit und Horror passenden Stil des Films, der zwar die üblichen Vorgesetzen mit ihrer Bremserfunktion auffährt, doch ansonsten weitestgehend klischeefrei bleibt. So sind auch die beiden spannenden Typen im Zentrum - oder im Keller - gut nuanciert: Carl, der besessene Workaholic, der sein Lachen verloren hat, wähnt sich anfangs auf einem Abstellgleis. Dem Verbitterten steht der positive, offene Charakter Assads entgegen, der an Menschen glaubt und viel lächelt. Beide haben selbstverständlich ihre Drogen, der eine schlechten Kaffee, der andere den Nikotin. Ebenso unterschiedlich sind ihre Vorgehensweisen: Während der eine sich in Material einwühlt, freundet sich der andere mit dem autistischen Bruder der Verschwundenen an.
Wenn der zerrüttete Kommissar Carl Mørck gemeinsam mit seinem unkonventionellen Assistenten Assad in der dänischen Sonderabteilung Q bislang ungelöste Fälle wieder aufnimmt, bringt das den „Borgen"-Regisseur Mikkel Nørgaard, den Drehbuchautor von „Verblendung" sowie „Die Königin und der Leibarzt" Nikolaj Arcel und den „Illuminati"-Darsteller Nikolaj Lie Kaas zusammen. Das Ergebnis ist dementsprechend erstklassig. Die Verfilmung des gleichnamigen ersten Romans von Jussi Adler-Olsens Bestseller-Reihe sorgt schon mit dem deutschen Titel für Wiedererkennen mit ähnlichen Krimi-Marken aus Skandinavien, das sich bei der dunklen Ausleuchtung, der großartigen Kameraarbeit zwischen Düsternis und Poesie, bei den gebrochenen Charakteren, den grausamen Verbrechen und der spannenden Dramaturgie fortsetzt. In den Hauptrollen beeindrucken Nikolaj Lie Kaas („Illuminati", „Open Hearts", „Adams Äpfel") und Fares Fares („Zero Dark Thirty", „Kops", „Jalla Jalla").
Das dänische „Schweigen der Lämmer" aus der (nicht nur wegen Lars von Trier) berühmt-berüchtigten Zentropa-Produktion ist der gelungene Auftakt zu einer Spielfilm-Reihe, denn drei weitere Romane der Reihe - „Schändung", „Erlösung" und „Verachtung" - sind bereits in Deutschland erschienen, der fünfte Band „Erwartung" wird im Oktober 2013 erwartet. Der zweite Film „Schändung" ist schon mitten in der Produktion.