USA, Großbritannien 2013 Regie: Steve McQueen mit Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Lupita Nyong'o, Brad Pitt, Paul Giamatti, Benedict Cumberbatch, Paul Dano 135 Min. FSK: ab 12
Am Sonntag erhielt „12 years a slave" bei den Golden Globes den Hauptpreis als bestes Filmdrama. Ein Vorschuss auf den fast sicheren Preisregen bei den Oscars. Die ganz außergewöhnliche, wahre Geschichte eines freien afroamerikanischen Bürgers aus Washington, der im Jahre 1841 als Sklave in den Süden der USA verschleppt wird, ist der bislang konventionellste Film des Briten Steve McQueen. Dabei allerdings erzählerisch und emotional weit über andere Werke zur Sklaverei wie Quentin Tarantinos „Django unchained" oder „Butler" herausragend.
Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor) ist ein angesehener Bürger im Staate New York. Der Violinist spielt zum Gesellschaftstanz auf, lebt mit Frau und seinen Kinder, hat Geldprobleme, ist aber frei. Zwar ist mittlerweile Sklavenhandel verboten, aber Sklaverei herrscht immer in einigen Südstaaten, der Bürgerkrieg findet erst in zwei Jahrzehnten statt. Und auch Solomon Northup wird wie viele Schwarze in dieser gespaltenen Situation entführt und zum Sklaven auf den Baumwollfeldern erniedrigt.
Der krasse Gegensatz zwischen Solomons freiem Leben und der Sklaverei, in der er Platt genannt wird, das Erstaunen des freien Mannes, der sich in Ketten und Kerker wiederfindet, zeigt eine historische Realität gleichzeitig als etwas Unbegreifliches. Der Film schafft es durch diese, immer wieder in Rückblenden aufgebaute Fallhöhe, den Blick von heute mitten in den Horror von Sklaverei zu bringen. Ein unmittelbares Nebeneinander, so wie in einer Einstellung ein Kamera-Schwenk das Kellerverlies des Entführten mit dem Blick auf das Capitol in Washington, dem Symbol für die US-Demokratie, verbindet. Und ein Verweis auf unsere freie Welt, die moderne Sklaverei überall nebenan duldet.
Schnell begreift Solomon, dass er seine Bildung verheimlichen muss. Zwar ist er klüger als seine tumben Aufseher vom Lande, doch das bringt ihm nur den Hass des gemeinen, prügelnden Sklavenaufsehers. Als ihn selbst sein „Besitzer" nicht mehr vor der Rache des gedemütigten Pöbels schützen kann, kommt Solomon zur Plantage von Edwin Epps (Michael Fassbender), einem lüsternen Tier, das allerdings in einer neurotischen Ehesituation, selbst - wieder mal - besoffen seiner Frau brutal klar sagen kann, dass sie weniger wert sei, als das Kapital, welches die Sklaven darstellen.
Michael Fassbender, regelmäßig Darsteller bei McQueen, ist wieder einmal herausragend. Diesmal als monströser Abschaum, der die angebliche Überlegenheit der weißen Rasse in einer Verfolgung höhnt, die ihn im Schlamm des Schweinestalls landen lässt. Trotzdem - und mit Ausnahme von Brad Pitt als edlem Retter und Ko-Produzenten - verhindert die exzellente Besetzung der Nebenrollen eine simple Schwarz-Weiß-Zeichnung.
Schon beim Boots-Transport in den Süden beschließt der Familien-Vater Solomon: Ich will nicht kämpfen, ich will leben! Dabei ist die interne Unterscheidung, dass auf dem Schiff unter allen Gefangenen nur drei Männer seien, die kämpfen würden, „die anderen seien Nigger", einer der vielen Momente, in denen der Film von einer spezifischen Situation der US-amerikanischen Geschichte auf universelle Zwangs-Situationen verweist. Die wahre Geschichte von Solomon Northup, die 150 Jahre nach ihrer Veröffentlichung verfilmt wurde, kulminiert in einer unerträglichen Schlüsselszene, wenn Solomon selbst seine ausgebeutete und immer wieder vergewaltigte Mitgefangene Patsey bis auf die Knochen auspeitscht, um sein eigenes Leben zu retten. Da ist kein Platz für Heldentum oder Rachefantasien, wie in Tarantinos ersten erwachsenen und im Vergleich doch kindischen Film „Django unchained", der auf ganz andere Weise die Sklaverei anklagt.
In die Abfolge starker und erschütternder Szenen reiht sich auch die absurde Situation eines Kaffeekränzchen auf der Veranda eines Herrenhauses mit drei Schwarzen, die bitter zwischen Feld- und Haus-Sklaven unterscheiden. „12 years a slave" gibt der Unmenschlichkeit viele erschreckende Gesichter, dabei bleibt es immer unbegreiflich, wie man Menschen als Sklaven betrachten kann. Steve McQueen belegt nach dem Häftlings-Drama „Hunger" und der Sexsucht-Geschichte „Shame" (beides mit Fassbender) seine enorme Inszenierungskunst in vielen Formen und Facetten. Dabei arbeitet er diesmal konventioneller, ist aber deshalb auch Hauptfavorit für die anstehende Oscar-Verleihung.