6.7.09

Kommissar Bellamy


Frankreich 2009 (Bellamy) Regie: Claude Chabrol mit Gérard Depardieu, Clovis Cornillac, Jacques Gamblin, Marie Bunel 110 Min.

Traue keinem Chabrol …

Ein Krimi von Claude Chabrol ist nichts Besonderes - so was macht der französische Regisseur schon seit mehr als 50 Jahren, „Kommissar Bellamy“ ist sein 58. Kinofilm. Ein Chabrol mit Depardieu, das ist hingegen ein Primeur. Aber vor allem weiß der alte Herr mit dem verschmitzten Lächeln wieder zu überraschen! Chabrol, der im Februar mit einer „Berlinale Kamera“ geehrt wurde, spielt ebenso mit dem Genre wie mit den Zuschauern.

Gérard Depardieu verkörpert mit viel Witz den Kommissar Paul Bellamy, Chabrols Hommage an Kommissar Maigret. Der Pariser Kriminalist ziert sich beim Urlaub in Südfrankreich erst etwas, bevor er sich mit seinem untrüglichen Spürsinn an einen lokalen Mordfall macht. Lieber beschäftigt er sich mit Kreuzworträtseln, es ist ja gar nicht sein Fall, auch wenn die örtliche Polizei hoffnungslos überfordert ist. Leicht und sehr sommerlich informiert sich Bellamy hier und da, noch dem ihm der Industrielle Noël Gentil (Jacques Gamblin), der in die Schlagzeilen geraten ist, auf- und heimsucht. Vor dem Abendessen wird dem Rätsel um eine doppelte und eine verschwundene Identität nachgegangen, erst in den letzten Minuten zeigt uns der Alt-Meister mit einer gemeinen Finte, wie sehr er das Spiel mit dem Kino noch beherrscht: „Die Idee zum Film entstand aus der Lust, eine Hommage an Simenon zu kreieren – zumal ich finde, dass Gérard Depardieu ein ausgesprochener Simenon-Charakter ist. Außerdem hatte ich den Wunsch, Georges Brassens meine Referenz zu erweisen“, meinte der 79-Jährige. „Es hat mir außerordentlichen Spaß bereitet, auf diesen beiden Registern zu spielen, dem sichtbaren und dem unsichtbaren, die die Erzählung gliedern.“

Es ist nicht nur die surreale Szene eines Anwalts, der sein Plädoyer als Brassens-Chanson schmettert, die „Kommissar Bellamy“ ungewöhnlich macht. Jede Figur steht neben sich oder zumindest neben den Erwartungen an sie. Und genau weiß man nie, wo man beim gemütlichen Kommissar und beim verspielten Krimi eigentlich dran ist. Geht es wirklich um den Mord ohne Leiche und um den seltsam geständigen Verdächtigen Noël Gentil? Ist dessen skurrile Geschichte um einen Doppelgänger, der als Obdachloser lebt, wahr oder eine ziemlich schwache Ausflucht des Industriellen der Bellamy so anhänglich um Aufklärung bittet? Selbstverständlich ist die auch immer wieder beißende Gesellschaftskritik von Chabrol dabei, der diesmal die feine Gesellschaft von Nimes vorführt, wenn Verdächtiger und Ermittler bei der gleichen Prostituierten Schlange stehen. Ganz unerwartet gesellt sich zu den üblichen Verdächtigen eine sehr persönliche und emotionale Geschichte Bellamys. Hier landet Chabrol seinen größten Coup: Die scheinbar beiläufige Anwesenheit von Jacques, dem jüngerer Halbbruder des Kommissars, rührt tief an dessen Gefühl, die manchmal ungeduldige Fürsorge für den kriminellen Alkohol- und Spielsüchtigen ist das Herz des nur scheinbar zu luftigen und sommerlichen Krimi-Spiels.