16.9.08
NoBody´s Perfect
„Was hat mich – einen kahl werdenden, dickbäuchigen Deutschen mit Contergan-Behinderung – bloß bewogen, als Aktmodel für Fotoaufnahmen zu posieren? Ich sehe aus wie ein rosafarbener, rundlicher, bebrillter Pinguin, und wegen meiner kurzen Arme kann ich mich am Strand immer kaum überwinden, mein T-Shirt auszuziehen.“ So beschreibt der renommierte Filmemachers Niko von Glasow („Maries Lied“) seine Haltung zum eigenen Film. Und sehr schön auch den unverkrampften Ton darin.
Von Glasow sucht elf durch Contergan geschädigte Menschen, die wie er bereit sind, sich für einen Kalender nackt fotografieren zu lassen. Die Suche ergibt filmisch ein ebenso so anrührendes wie spaßiges Porträt dieser Menschen. Der Regisseur ist selbst Contergan geschädigt und immer wieder im Bild. Dadurch gewinnen die Gespräche und Szenen eine Leichtigkeit und der Einblick in die Lebenssituationen bleibt frei von Mitleids-Pathos. In den unverstellten Gesprächen geht es ebenso um Sexualität wie um den Glauben.
Einer der Interview-Partner meint auf die Frage, ob er seine Contergan-Schädigung mittlerweile akzeptiert hat: „Meinen Körper ja, meine muffige Seele hab ich noch nicht akzeptiert.“ Niko von Glasow zeigt ebenso nachdenkliche Momente wie heitere Szenen mit ruppigem Ton ohne jede politische Korrektheit, die er sich erlauben darf.
Allerdings verfolgt von Glasow mit seinen Contergan-Akten auch eine politische Agenda: Im Stile von Michael Moore versucht er, dem Stolberger Pharmaunternehmen Grünenthal, das Contergan auf den Markt brachte, sein Nackt-Porträt zu schenken. Denn der ästhetisch sehr gelungene Film soll den Forderungen nach mehr Entschädigung für die Contergan-Opfer Nachdruck verleihen. Die Porträts, deren Entstehung der Film begleitet, sind zur Zeit auch großformatig in deutschen Städten zu sehen. Von Glasow meint: „Die Gesellschaft muss sich an unseren Anblick gewöhnen.“