25.6.08
Cassandras Traum
USA, Großbritannien 2007 (Cassandra’s Dream) Regie: Woody Allen mit Ewan McGregor, Colin Farrell, Tom Wilkinson, Sally Hawkins 108 Min. FSK ab 12
Der neue Woody Allen ist klasse! Schade nur, dass „Cassandras Traum“ nicht der neue, sondern der Vorletzte und selbst für einen Woody Allen mit Formschwankungen so ziemlich das Letzte ist. Woody Allen realisierte mit 76 Jahren seinen 43. Film - durchgehend enttäuschend. Warten wir also auf „Vicky Cristina Barcelona“.
Warten ist ein Problem für Ian (Ewan McGregor), der von der perfekten Ausstattung träumt, wie sie Geldinstitute gerne auf Kredit verkaufen: Frau, Haus, Segeljacht und alles vom Feinsten. Dabei arbeitet der Dreißiger im kleinem Londoner Restaurant seines Vaters. Das Geld für irgendeine sehr suspekte Immobiliengeschichte in Kalifornien besorgt Ians Bruder Terry (Colin Farrell) beim Pokern. Das geht anfangs gut und die beiden erfüllen sich mit dem Segelboot „Cassandras Traum“ einen Jugendtraum. Auf dem Wasser erleben sie die große Freiheit, während auf dem Land das trägerische Glück den Bach runter geht. Terry hat Spielschulden und Knochenbrecher im Nacken und nur noch der reiche Onkel Howard (Tom Wilkinson) kann helfen. Der rettet gerne, hat aber eine kleine Bitte: Ian und Terry sollen einen ehemaligen Mitarbeiter umbringen, der zu viel weiß...
Im letzten Film seiner britischen Trilogie - „Match Point“ und „Scoop“ - ließe sich „Schuld und Sühne“ erwähnen. Auch die „Brüder Karamasow“ könnten als Zitatwissen eingefügt werden, um die Leere dieses Woody Allen zu überbrücken. Die Idee ist klar, das Drama kleiner, armer Leutchen soll dargebracht werden, als hätte es klassische Größe. Deshalb Cassandra. Deren Traum, oder korrekter: der Traum von ihr erzählt eigentlich eine kleine Geschichte von der großen Gier. Zwar mit besten Zutaten aufgefrischt, doch die Mischung stimmt vorne und hinten nicht. Wahrscheinlich ist Allen nicht der richtige für so ein Drama kleiner Leute. Dafür gibt es in Finnland Aki Kaurismäki und in Großbritannien Ken Loach. Dessen Working Class Heros berühren nicht nur mehr, sich lassen sogar mehr lachen als Woody Allen.
Die beiden Hauptdarsteller wirken deplatziert. Nicht nur spielen sie zwei wenig begabte Betrüger, die niemanden wirklich reinlegen können, man nimmt Ewan McGregor und Colin Farrell auch nie ab, dass sie so naiv und so unfähig sein könnten. Die Bilder sind wie gewohnt gut und von Vilmos Zsigmond, wirken aber auch wie eine Umgebung, in der die beiden dämlichen Jungs nicht rein gehören. Der falsche Luxus halt. Die Musik stammt vom britischen Minimalisten Philip Glass, zeigt stellenweise Wirkung, kann aber nie die ansonsten immer ausgesucht guten alten Songs aus Woody Allens Filmen ersetzen. Aber zum Glück prophezeit diese Cassandra einen neuen, wesentlich besseren Allen: „Vicky Cristina Barcelona“.