1.7.08

Happy-Go-Lucky


GB 2008 (Happy-Go-Lucky) Regie: Mike Leigh mit Sally Hawkins, Alexis Zegerman, Eddie Marsan 119 Min. FSK: ab 6

Was ist Optimismus? Diese Frage lässt sich relativ leicht von jedem beantworten. Wie aber sähe der Optimismus aus, wenn er eine Person wäre? Das beantwortete ausgerechnet einer, der auf der internationalen Filmbühne mit „Naked“, einer ganz bitteren, nackten Wahrheit über den Menschen an sich auftrumpfte. Einer, der mit dem düsteren Abtreibungsdrama „Vera Drake“ Optimismus und Menschenliebe durch die Justiz abstrafte. Doch jetzt bringt der Brite Mike Leigh mit „Happy-Go-Lucky“ die sonnige Sicht der Dinge an die Grenze der Erträglichkeit – ohne sie mit seinem fröhlichen Star Sally Hawkins zu überschreiten!

Poppy (Sally Hawkins) ist eine atemberaubende Erscheinung – nicht nur, weil man um ihre Sauerstoffversorgung bangt, wenn sie ohne Strich und Faden plappert, redet, schwätzt und quatscht. Während man selber den Mund nicht zubekommt angesichts dieses fröhlich sprudelnden Redeflusses, erfrischt sich die eigene Laune unmerklich bis heftig. Poppy ist nicht auf den Mund gefallen und auch nicht auf den Kopf, sie ist witzig, schlagfertig und vor allem sieht sie die Welt positiv. Wenn sie mit ihrer Mitbewohnerin und Kollegin Zoe den Unterricht im Kindergarten vorbereitet, fragt man sich zwar, ob die bunten, fantastischen Vogelmützen und –masken für die Kinder oder für Poppy sind. Aber auf der Arbeit steckt das fröhliche Gemüt an und die Kinder bei Poppy haben sichtlich mehr Freude an den schrägen Vögeln dieser Welt als die Kleinen bei Zoe.

Auch wenn die Abfolge von Szenen, die Mike Leigh für Poppy entwickelte, fast wie eine konstant aufsteigende Dur-Melodie wirkt, ist das Leben der Single-Frau kein Zuckerschlecken. Da ist der kleine Junge in der Klasse, der extrem gewalttätig gegen noch kleinere agiert. Das Treffen mit dem Psychologen hilft nicht nur dem Kind, auch Poppy geht mit einer hoffnungsvollen Verabredung nach Hause. Jede Hoffnung fahren lässt allerdings der griesgrämige Fahrlehrer, der die witzigsten Szenen mit der chaotischen Frau ertragen muss. Grandios ist auch ein Besuch bei Poppys Familie, wo plötzlich das solitäre Dauerplappern zum Chor wird, angereichert durch eine kräftige Portion Neurose bei der ältesten Schwester.

„Happy-Go-Lucky“ erfrischt mit sympathischem Humor, der ganz auf den Lippen und Gesichtszügen einer erstaunlich fröhlichen Figur liegt. Sally Hawkins gewann im Februar den Goldenen Bären für die Beste weibliche Darstellerleistung bei der Berlinale. Was bei Mike Leigh öfters passieren kann, denn dieses Theater-Tier legt extrem viel Wert auf das Rollentraining mit seinen Schauspielern. Die bedenklichen Momente zum Ende hin retten den Film vor einem zu platten Porträt Poppys. Bedenklich, weil Poppy erkennt, dass man nicht alles weglachen kann. Dass es durchaus auch Situationen und Menschen gibt, die gefährlich sind. Wo es nicht mehr allein hilft, dem vernachlässigten oder misshandelten Kind in verschrobenen Erwachsenen Trost zu spenden. Doch Poppy wäre nicht Poppy, wenn sie „Happy-Go-Lucky“ nicht zu einem fröhlichen Ende bringen würde.