16.1.07
Flags of our Fathers
USA 2006 (Flags of our Fathers) Regie: Clint Eastwood mit Ryan Phillippe, Jesse Bradford, Adam Beach 131 Min. FSK: ab 12
Clint Eastwood hat eine erstaunliche Karriere hinter sich: Als TV-Cowboy über den Spaghetti-Western zum internationalen Star geworden, dann lange festgelegt auf den "Dirty Harry", aber doch noch die Kurve zum exzellenten, vielseitigen Schauspieler geschafft und gleichzeitig zum Regisseur gewachsen, dem mittlerweile alles gelingt. Nun drehte der 76-Jährige nach langer Zeit wieder einen Kriegsfilm, der allerdings vor allem das Heldentum in Frage stellt.
In den letzten Monaten des 2.Weltkrieges ist die Iwo Jima schwer umkämpft. Auf dem Haufen Dreck im Pazifik ist jeder Quadratmeter von Bomben und Granaten umgepflügt. Ganze Flottenverbände karren junge amerikanische Männer heran, die Iwo Jima von den Japanern erobern sollen. Mitten in diesem Schlachten, das Eastwood drastisch, aber nicht so schockend wie Spielbergs "Soldat Ryan" darstellt, hissen ein paar Soldaten die amerikanische Nationalflagge. Das Foto dieser Szene taucht sofort auf allen Titelseiten auf, drei der Beteiligten werden propagandistisch zu Helden hochgejubelt und touren durch die Heimat, um weitere Milliarden für die Waffenindustrie einzusammeln.
Der Hohn hinter diesen historischen Ereignissen: Die Drei waren gar nicht die eigentlichen Flaggenhisser, sie bildeten quasi ein unbedeutendes Ersatzteam. Außerdem ereignete sich alles am fünften Tag der Eroberung der Insel - die Kämpfe gingen jedoch noch 35 Tage weiter. Deshalb gab es auch kaum Überlebende zum Hochjubeln und zur Heldenverehrung.
Eastwood erzählt seine sehr menschliche, allerdings nicht gänzlich unpatriotische Geschichte geschickt auf mehreren Zeitebenen: Einerseits schildert er die drei "Helden". Den stolzen Schönling Rene, den von allem angewiderten Indianer Ira und der nachdenkliche Erzähler Bradley. Ira beginnt zu trinken, auch wenn er in vielen Kneipen als Indianer kein Bier bekommt. Opportunist Rene holt das Maximale aus der Lüge raus. Patriotische Parolen stehen Anstand und gesundem Menschenverstand gegenüber - man zieht dabei selbstverständlich Vergleiche zum Irak, zu Afghanistan... Besonders wertvolle Gedanken in Zeiten, in denen Regierungen und Abgeordnete andere Menschen ihres Landes mit zunehmender Begeisterung in alle möglichen Kriege schicken.
Während der oft ekelhaften Propaganda-Tour erinnern sich die Helden wider Willen immer wieder an das wahre Grauen, das gar nicht heldenhafte Gemetzel. Schwerste Verwundungen, Gedärme, abgetrennte Glieder, Momente tierischer Rache. Nicht wirklich ein Antikriegs-Film, aber trotzdem sehr wirkungsvoll. Dabei kann einem schon mal von Erdbeersoße schlecht werden, die über eine geschmacklose Eisfigur der Flaggenpflanzer gegossen wird. In der aktuellsten Zeit stehen alte Männer immer noch allein in verwüsteten, verbrannten Landschaften ihrer Albträume und suchen einen Freund.
Der Blick zurück von Ryan Phillippe, der den Erzähler John "Doc" Bradley spielt, ist symptomatisch. Es bleibt die Perspektive der Kriegs-Teilnehmer. Für sie muss das alles Sinn gehabt haben. Das Massaker muss Leben gerettet haben, weil die eroberte Insel später als Flughafen für Bomber gegen Japan benutzt wurde. Diese Erinnerungen hielt der reale John Bradley fest, sein Sohn Jamessetzte die Arbeit fort und schrieb auch das Drehbuch mit Paul Haggis ("Million Dollar Baby") und William Brayley Jr. ("Jarhead"). Es entstand ein melancholischer Kommentar zum Heldentum. Im letzten Bild legen die Soldaten fast utopisch Waffen und Uniformen ab und baden im Pazifik. Ganz einfach ein Haufen ausgelassener Jungens.