12.4.06

Running Scared


USA 2006 (Running Scared) Regie: Wayne Kramer mit Paul Walker, Cameron Bright, Vera Farmiga 122 Min. FSK: ab 16
 
Gewalt verseucht Gesellschaften und in diesen auch das Kino. Meist bedenkenlos eingesetzt als billiger Thrill, aber in ganz seltenen Fällen wie diesem auch eine ebenso interessante wie höchst spannende Reflektion auf Waffengewalt.
 
Diese Augen! Ein wenig gespenstig und beunruhigend sah man Cameron Bright in "Birth" als Jungen, der glaubte, die Wiedergeburt von Nicole Kidmans Mann zu sein. Und als jähzorniges Ergebnis eines Genexperiments in "Godsend". Aber noch nie wurden diese Augen so eindrucksvoll eingesetzt wie in dem atemberaubenden Thriller "Running Scared".
 
Der kleine Gangster Joey Gazelle ("Fast and Furious" Paul Walker) entsorgt Waffen für die Mafia. Allerdings landen sie nicht im Fluss, sondern in seinem Keller. Dort schnappt sich Oleg (Cameron Bright), der zehnjährige Freund von Joey Sohn, ein besonders glänzendes Exemplar und schießt nebenan auf seinen Stiefvater, der ihn immer wieder brutal zusammenschlägt. Da die Waffe vorher bei einem Polizistenmord benutzt wurde, beginnt eine fieberhafte Suche nach Oleg, der mit ihr weglief. Joey versucht, den Jungen zu retten, aber neben der psychotischen Russenmafia ist auch ein besonders korrupter Bulle (Chazz Palminteri) mit eiskaltem Grinsen hinter der Sache her.
 
Der Stil, mit dem Wayne Kramer seine zweite Regie nach "The Cooler" inszeniert, schlägt ein wie eine Kugel - um im Bild zu bleiben. "Running Scared" ist ein aufregender, ungemein spannender und erschreckender Horrortrip in die Gewalt, der ohne den Zynismus von Tarantino & Co bleibt, weil die Gewalt aus der Perspektive des Jungen Oleg gesehen wird. Er irrt zwischen Zuhältern, Waffenhändlern, Drogendealern und Päderasten herum, während sich die atemlose Handlung um ihn überschlägt.
 
Immer wieder springt die Szene kurz zurück, um die rasenden Abfolgen aus neuer Perspektive und mit raffinierten Kamerafahrten auszuleuchten. Farbverfremdungen distanzieren die Gewalt, die trotzdem schwer erträglich bleibt. Ansonsten ist das Bild wie die Welt dunkel und dreckig. "Running Scared" zeigt einen Albtraum, aber keinen für irgendeinen billigen Thrill aufgesetzten. Besonders erschreckend ist der Gedanke, dass dies alles durchaus eine komprimierte Version des Horrors ist, den Kinder heutzutage erleben können. Dabei verbirgt sich das Furchtbarste, ein widerwärtiger Missbrauch, hinter der Fassade braver Bürger, nicht hinter all den markanten Verbrecher-Fratzen.
 
Den Kreislauf der Gewalt, der durch eine Waffe ausgelöst wird, hat Wayne Kramer schlüssig und rasant inszeniert. Immer wieder fesseln einzelne Szenen und Figuren. Etwa der beängstigende Psychopath (Karel Roden), den Oleg anschießt. Ein "Duke"-Verehrer mit einem großen John Wayne-Tattoo auf dem Rücken. Oder der absurd gefährliche Zuhälter in seinem weißen, bestickten Elvis-Anzug. Paul Weller wirkt als Schurke mit gutem Kern eindringlicher als in seinen früheren Varianten der Rolle. Es bleibt das Dilemma, dass die Situation von den "Guten" auch nur mit Gewalt gelöst werden kann ...