Spanien 2021 (Maixabel) Regie: Icíar Bollaín, mit Luis Tosar, Blanca Portillo, Urko Olazabal, 116 Min., FSK: ab 12
Diese Kinowoche zeigt an drei Filmen exemplarisch den Umgang mit Kriegen und Konflikten: Mal völlig gedankenlos im Spiel mit dem militärischen Mord-Maschinen und beim Abknallen eines irgendwie „Anderen" in „Top Gun". Mal mit großem Respekt vor dem Leben der Kämpfer, wenn auch der Kampf gegen die deutschen Nazis in „Die Täuschung" unvermeidlich scheint. Und in dem besten Film „Maixabel" der Versuch, die Unsinnigkeit des ETA-Kampfes und der Opfer in einem Versöhnungsprozess zu bewältigen. Wie ein politischer Mörder mit der Witwe seines Opfers Jahre nach der Tat Kontakt aufzunehmen versucht, ist nicht nur ungemein bewegend, sondern auch im Prozess der Vergebung richtungsweisend auf gesellschaftlicher und persönlicher Ebene.
Am Anfang ein politischer Mord, eine Hinrichtung, wie es zu viele gibt. (Auch im Film.) Das Opfer, der sozialistische baskische Lokalpolitiker Juan Marí Jáuregui sitzt im Jahr 2000 im Café, der Täter kommt von hinten, schießt ihm eine Kugel in den Kopf. Drei Männer fliehen im Auto. Ist es spannend, wie cool der Fahrer bleibt? Sogar einen Polizeiwagen überholt Ibon Etxezarreta (Luis Tosar), weil die eine falsche Beschreibung des Fluchtwagens haben. Dann mit etwas Distanz der Zusammenbruch von Maixabel Lasa (Blanca Portillo), der Frau des Ermordeten, und der von dessen Tochter, die eben noch ausgelassen den Sommer am Strand genoss. Während der Gerichtsverhandlung ist es widerlich, wie die inzwischen gefassten ETA-Kämpfer im Glaskäfig gegen den angeblich faschistischen spanischen Staat anschreien und geifern. Und den entsetzten Angehörigen keines Blickes würdigen.
Jahre später ist bei den Verurteilten in der Haft ein Wandel eingetreten. Zwei haben sich von der harten ETA-Linie losgesagt, die selbst im Gefängnis erforderte, dass keine Erleichterungen angenommen werden, dass keine Programme mitgemacht werden. So gab es keinen Freigang, keine Arbeit im Gefängnis. Ibon sucht Kontakt zu Maixabel. Sie ist mittlerweile Vorsitzende eines Opferverbandes und braucht Personenschutz, weil selbst die Opfer der entgegengesetzten Seiten untereinander bis aufs Blut verfeindet sind. Trotz des wieder stärker aufgewühlten Schmerzes stimmt sie zu.
Die von einer Mediatorin begleiteten Gespräche zwischen Maixabel und Ibon sind nicht nur schauspielerisch das Herzstück dieses überwältigenden Films. Eine unglaubliche Detailgenauigkeit im Gefühlsmix aus Schuld, Erklärungen, ohne die Taten herunterzuspielen, Entwicklungsgeschichten und vielem mehr ist hochspannend. Weswegen schließt sich ein junger Mann der ETA an? Wieso fragt niemand, wer das „Zielobjekt" ist? Die Begegnungen gipfeln in einem verdrehten Moment der Empathie, wenn Maixabel sagt, dass sie lieber die Witwe des Opfers sei, als die Mutter des Mörders, und Ibon, dass er lieber das Opfer wäre, als der Mörder.
„Maixabel - Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung" ist ein unfassbarer wichtiger Film: In Zeiten wachsender Konflikte das Gegenteil von Militarismus und Konfrontation. Versöhnung, Empathie und Vergebung nach dem blutigen ETA-Bürgerkrieg, in dem während 51 Jahren des Terrors 829 Tote zu beklagen waren. Versöhnung trotz großer Widerstände auf beiden Seiten. Diese sehr bewegende Lehrstunde für das Leben ist eindeutig der Film der Woche und vielleicht sogar der Film dieser „Zeitenwende".