3.5.22

Doctor Strange in the Multiverse of Madness

USA 2022, Regie: Sam Raimi, mit Benedict Cumberbatch, Chiwetel Ejiofor, Elizabeth Olsen, 126 Min., FSK: ab 12

Oh, hehre Superhelden voller Kraft, füllet die Kinokasse mit Geld und Saft... Nein, es gibt keine Verse mit wechselndem Versfuß im Multiverse. Wäre Kassengift, wenn auch nicht viel weniger kompliziert als das unverständliche MCU-Konstrukt von Marvel. Halten wir es also übersichtlich: Benedict Cumberbatch kämpft als Doctor Strange gegen die wahnsinnig böse Wanda, beide verdoppelt und verdreifachen sich. Das wirklich Sensationelle ist, dass Grusel-Meister Sam Raimi aus der Marvel-Routine eine grandiose Geschichte voller Überraschungen macht.

Das wird nun zum Standard fürs Multiversum (früher sagte man Paralleluniversum), egal ob bei Marvel oder letzte Kinowoche in „Everything Everywhere All at Once" mit Michelle Yeoh: Irgendwann rasen die Figuren durch zahllose Parallelwelten und es ist aberwitzig komisch, wie sie darin für Sekundenbruchteile aussehen. Mal als Knetfiguren, mal als Penata, dick, dünn, alles ist drin. Doch noch viel komischer ist, wenn Regisseur („Evil Dead", „Tanz der Teufel") Benedict Cumberbatch im Finale als Zombie-Version von Doctor Strange auftauchen lässt.

Doch zurück zum Anfang: Frisch aus einem fiesen Albtraum aufgewacht, erlebt Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) bei der Hochzeit seiner geliebten Christine Palmer (Rachel McAdams) mit einem anderen, dass auch der andere Albtraum wahr wird. Ein tolles einäugiges-achtarmiges Polypenmonster verfolgt America Chavez (Xochitl Gomez) durch die Straßenschluchten. Denn das junge Mädchen hat die Fähigkeit, von einem ins andere Paralleluniversum wechseln zu können. Und jemand möchte ihr diese Macht rauben. Strange findet schnell heraus, dass „jemand" Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) ist, die sich so verzweifelt Kinder wünscht, dass sie dafür zur dunklen Hexe Scarlet Witch wurde. Der kebbelnde Zauberkumpel Wong (Benedict Wong) versammelt alle Magier um sich, doch auch zusammen können sie America nicht schützen. Im letzten Moment fliehen Strange und das Mädchen in ein anderes Universum.

So weit, so Marvel mit einer deftigen Zauber-Schlacht und bekannten Gesichtern. Aber die Figuren tragen nach unzähligen Filmen alle auch einen ganz dicken Rucksack Tragik und Verluste mit sich rum. Was besonders Wanda nicht gut bekommen ist und die Figur bis ins mutterherzzerreißende Finale interessant macht. Strange versucht derweil in mehreren Universen seine Liebe zu Christine in gute Bahnen zu lenken. Diese ganzen Details für Marvel-Junkies werden übertrumpft vom Raimi-Stil. Das Superhelden-Getue bleibt dosiert, der Fantastische Film wird immer düsterer. Fast wähnt man sich bei Guillermo del Toro, doch Regisseur Raimi setzt mit Geisterhaus und Zombie eindeutige Duftmarken. Dazu ein tolles Spiegelkabinett-Kabinettstückchen, in denen das Böse aus Spiegelflächen nach einem greift. Jean Cocteau grüßt mit seinem „Orpheus". Oder ein Zauberduell zwischen Strange und Strange mit Musiknoten als Waffen. Genial auch, wie Professor Charles Xavier den wahnsinnigen Verstand von Wanda besucht. Richtig, Patrick Stewart mischt sich auch ein!

Also packende, einfallsreiche und ungewöhnliche Unterhaltung, die auch nur ganz knapp die Zweistunden-Grenze reißt. (Wenn auch die Figurenentwicklung so interessant ist, dass man gleich noch mal die schräge Serie „Wanda Vision" sehen muss!) „Doctor Strange in the Multiverse of Madness" beweist, dass kreative Geister wichtiger sind, als absurde Konzern-Konstrukte.